Autor:  07.02.2014, letztes Update: 18.05.2022

Schlechter Stil: Journalisten-Bashing im Fall von Dungeon Keeper

Dungeon Keeper - Screenshot Internet-Zwang
Dungeon Keeper - Screenshot Internet-Zwang

Journalisten deshalb direkt deren Qualität abzusprechen, weil sie EAs neues Freemium-Game für iOS und Android namens Dungeon Keeper nicht gut finden, ist schlechter Stil. Gerade dann, wenn man seinen Lesern vorenthält, dass man selbst eine Vergangenheit bei dem Publisher des Spieles hatte, die den eigenen Standpunkt schon per se nicht objektiv sein lässt. Darüber hinaus liefert der Beitrag von Jakob Rogalski auf iTouchAndPlay keinerlei Argumente „für“ Dungeon Keeper, sondern macht andere schlecht.

PC- und Konsolen-Presse? (I: Fehlende Berichterstattung)

Rogalski behauptet, die PC- und Konsolen-Presse, zu der er 4Players‘ Jörg Luibl, Eurogamers Martin Woger und PCGames‘ Felix Schütz zählt, würde schlechten Journalismus betreiben, einzig da sie EAs Dungeon Keeper nicht gut bewertet haben.
Die PC- und Konsolen-Presse habe „nichts“ dazu beigetragen, die wirklichen Perlen des Mobile Gamings zu pushen, weil sie nur mit dem Bashing der übrigen Spiele beschäftigt sei, hält Rogalski ihr vor und bekommt dafür noch Lob von Marketing-Mitarbeitern der Konkurrenz von Gameloft, die selbst ein Freemium-Lied singen können.

Dass Rogalski Behauptungen aufstellt, die er nicht überprüft hat, ist, was er anderen vorwirft: schlechter Journalismus. Schreibt er doch „Aus der ansonsten völlig fehlenden Berichterstattung über gute Mobile Games, (!sic) wird eine Hexenjagd mit Electronic Arts und Dungeon Keeper als Projektionsfläche.“ Auf 4Players gibt es eine eigene Rubrik für iPhone, iPad und andere Mobile-Plattformen. Dort gibt es Toplisten mit Hinweisen auf iOS- und Android-Games, die die kommenden Highlights der mobilen Plattformen sein können, hinter jedem Link in diesen Listen versteckt sich ein Artikel des Magazins. Dazu gibt es Tests, Vorschauberichte und allmonatliche Specials mit einem Überblick über Spiele für die Mobile-Plattformen.
Auch auf PCGames gibt es sehr viele Meldungen zu Mobile Games, und natürlich steht Eurogamer dem in Nichts nach. Es ist vermessen von Rogalski, den Kollegen vorzuwerfen, sie würden nicht über Mobile Games berichten. Bei ihm heißt das: „während sie normalerweise Mobile Gaming auf ihren Webseiten nicht mal mit der Kneifzange anfassen.“ Das ist gelinde gesagt eine falsche Tatsachenbehauptung. Jeder, der die kritisierten Webseiten aufruft, kann das sofort erkennen. Wenn Rogalskis Argument also inhaltlich keinen Bestand hat, warum verwendet er es überhaupt?

Generation Touch, wer ist das eigentlich?

Rogalski wirft einer traditionellen „Spieleindustrie“ (!sic) vor, sich vor der Touchscreen-Generation zu verschließen und sich selbst um Kopf und Kragen zu reden. Tatsächlich lehnt er sich selbst sehr weit aus dem Fenster und wirft viele Dinge durcheinander. Zuerst meint er sicherlich die Spielepresse und nicht die Spieleindustrie. Denn letztere ist es doch, die mit ihren Freemium-Games die „Generation Touchscreen“ anspricht? Zumindest ist das die Meinung Rogalskis. Aber wer ist das eigentlich, die Generation Touch? Sie rekrutiert sich nicht nur aus den jüngsten Spielern, sondern besteht aus PC- und Konsolen-Spielern mit Smartphones und Tablets, sie besteht aus Technik-Geeks und -Nerds gleichermaßen wie aus Kindern, Teenagern und Erwachsenen, die zum ersten mal mit Spielen über die neuen Touchscreen-Devices in Kontakt kommen. Letztere sind natürlich für die neuen Modelle deutlich empfänglicher, da sie keinen Maßstab kennen, mit dem sie das Spielerlebnis, das ihnen geboten wird, vergleichen können. Die Journalisten, denen Rogalski Verfehlung vorwirft, sie verfügen allerdings über diesen Maßstab.

Muss ich mich als Autor angesprochen fühlen, durch Rogalskis Kritik? Unsere Meinung über Dungeon Keeper fällt ebenfalls sehr schlecht aus, zumal jetzt bekannt wurde, dass Electronic Arts auf Android-Devices durch einen Trick verhindert, dass allzu viele schlechte Wertungen entstehen können. Doch schreiben wir seit vielen Jahren über die neuen Touch-Games, nicht nur hier. Für Macnotes haben wir hunderte Spiele getestet und sind bestens ausgerüstet mit PC, Konsolen, Handhelds, Smartphones und Tablets. Warum ist unsere Meinung dann keine andere als die der PC- und Konsolenpresse?

Qualität im App Store?

Rogalski behauptet, dass die negative Berichterstattung über Fälle wie den von Dungeon Keeper den Blick für das Gute in den App Store versperren würden. Gleichzeitig fordert er guten Journalismus. Guter Journalismus ist allerdings, wenn man die potenziellen Kunden auf Ungereimtheiten hinweist und vor schlechten Inhalten warnt, anstatt eine Werbeveranstaltung für Alles zu veranstalte, was „Mobile“ ist. Es ist tatsächlich niemandem geholfen, wenn man alle Dinge gut findet.

PC- und Konsolen-Presse? (II: Künstliche Trennung)

Rogalskis Artikel könnte aus einer Emotion heraus entstanden sein, ansonsten müsste man ihn ernsthaft fragen, warum er so einen Quatsch schreibt. Sein Argument lautet, die PC- und Konsolen-Presse macht Mobile Games schlecht. Und die anderen? TouchArcade bewertete Dungeon Keeper mit 1 von 5 Sternen. Shaun Musgrave kann weder Fans des Originals, noch die Generation Touch sich für das Spiel interessieren sehen: „In the end, I can’t imagine Dungeon Keeper is going to satisfy anyone very much.“ Auf Metacritic hat das Spiel 46 von 100 Punkten erhalten, bislang. Digital Spy spricht das Problem des Spiels an, es sei so strukturiert, dass man wegen der merkwürdigen Verhältnisse von Spielwährung und Spielfortschritt (außer man setzt In-App-Käufe ein) Tage spielen kann, ohne wirklich voran zu kommen. Spätestens wenn man das „merkt“, macht einem das Spiel keinen Spaß mehr.

Ego-Verletzung?

Rogalski wirft Luibl, Woger und Schütz und einer ganzen Kaste von Journalisten vor, sie hätte offensichtlich „kein Interesse an Mobile Games“ und das Dungeon-Keeper-Bashing sei nur eine Aversion gegen Mobile Gaming im Allgemeinen? Da ich für die Kollegen nicht sprechen kann, möchte ich Rogalski trotzdem fragen, wie er die Ansicht begründet, dass das „Ego“ von Luibl, Woger und Schütz verletzt sei? Ist es zu viel verlangt ihre negative Haltung gegenüber dem Spiel zu akzeptieren?
Gleichzeitig muss ich erneut darauf hinweisen, dass auch ich Dungeon Keeper „bashe“ und nicht grundsätzlich gegen Freemium bin – wie meine Kollegen auch nicht. In meinem Jahresrückblick auf Macnotes habe ich im Gegenteil sogar ein positives und ein negatives Beispiel für Freemium-Games 2013 herausgegriffen. Denn NaturalMotions Clumsy Ninja verwendet ebenfalls In-App-Käufe, aber so, dass wirklich nur hoffnungslos ungeduldige Spieler wirklich Gebrauch davon müssen.

Unwissend Haare Spalten

Rogalski sagt, dass niemand wisse, dass die Preise für In-App-Käufe nach dem „Hard“-Launch angepasst würden. Das „kommt vor“, aber nicht immer. Doch als „guter Journalist“ müsste Rogalski doch nicht die Industrie verteidigen, sondern fragen, warum sie es überhaupt so weit treibt? Warum muss eine Firma wie EA, die mit mehreren dutzend Freemium-Apps „immer dieselbe“ Kritik erfährt und „immer dieselben“ Erfahrungen gemacht hat, beim 101sten Mal wieder so tut, als wäre das nicht passiert? Das ist kein Problem von EA. Andere Mobile-Entwickler gehen leider denselben Weg und selbst einige Indie-Entwickler, von denen Rogalski meint, man müsse Partei für sie ergreifen, wollen auch den Kunden melken, bis es nicht mehr geht.

Freemium-Wende?

„Schaue ich mir die vergangenen Monate an (Dezember 2013 und Januar 2014), gibt es unter den kleineren Indie-Developern eigentlich kaum noch Jemanden der auf das Freemium-Konzept baut.“
Jakob Rogalski

Wieder wirft Rogalski Behauptungen in den Raum, die einzig auf seiner persönlichen Erfahrung beruhen. Das heißt er extrapoliert das, was er in vielleicht ein paar Dutzend Apps entdeckt, die er monatlich testen kann, auf alle anderen projiziert. Denn tatsächlich gibt es seriöse Berichte und Analysen, die zeigen, dass Ende 2013 sowohl im Google Play Store als auch im iTunes App Store fast kaum mehr Einnahmen über den Verkauf von Apps, sondern vor allem über In-App-Käufe realisiert wird. Die Rede ist von 98% Umsätzen über In-App-Käufe bei Google Play und 92% in Apples App Store. Da stehen also Statistiken der „privaten“ Erfahrung Rogalskis gegenüber.

Freemium, Free-to-play, Mobile Games?

Wenn man sich die Kritik an Freemium-Games genauer ansieht, dann muss man feststellen, dass nicht das Modell an und für sich als Problem ausgemacht wird. Stattdessen werden die Wucherpreise und das oft durch falsche Platzierung von In-App-Elementen verstümmelte Gameplay kritisiert. Das geht im übrigen nicht nur Mobile Games so. Sony Computer Entertainment musste sich ebenfalls fragen lassen, warum man mehrere tausend Dollar ausgeben kann, für In-App-Käufe im neuen Gran Turismo 6.

Das größte Missverständnis, das Rogalski aber unterläuft, ist anzunehmen Freemium sei eine Erfindung der Mobile-Games-Branche! Freemium oder Free-to-play kommt aus dem Online-Gaming am PC. Dort wird es schon seit Jahren eingesetzt. Die Industrie, die Rogalski zu verteidigen versucht, ist selbst Schuld, dass sie wenig gehaltvolle Spiele produziert und dann den „Spielfortschritt“ daran koppelt, Geld ausgeben zu müssen, und zwar nicht wenig. Welche Rechtfertigung gegenüber den Spielern gibt es für In-App-Käufe in Höhe von 80 Euro? Rovio hat nach dem „Soft“-Launch in Neuseeland und viel Kritik zwar die Preise nach unten korrigiert. Doch woher kam der Gedanke für eine so überzogene Preisgestaltung von Anfang an? Wenn EA, Gameloft und Co. etwas lernen wollen, dann sollen sie sich zum Beispiel an Square Enix orientieren. Dort hat man sich von Beginn an gegen die Pfennig-Mentalität im App Store gesträubt und trotz 15 Euro teuren Apps treue Kunden gefunden, die bereit waren die Qualität zu bezahlen.

Schlechter Stil

Besonders schlechten Stil betreibt Rogalski allerdings selbst, da er alle Leser seines Beitrags und Blogs darüber im Unklaren lässt, dass er selbst eine Vergangenheit bei Electronic Arts hat. Von 2009 bis 2010 war er (bezahlter?) Praktikant dort. Aus dieser Zeit kenne ich Rogalski überhaupt, da ich damals als Vertreter der Spielepresse, die er heute kritisiert, mit ihm zu tun hatte, der im Bereich Marketing und PR agierte. Zum Beispiel über sein Google-Plus-Profil kann man einsehen, dass er bei EA gearbeitet hat.

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