Autor:  Qiong Wu 18.09.2010, letztes Update: 16.09.2018

Tom Wendel im Interview: XNA, Xbox, Kinect und andere Faxen

Xbox One
Xbox One

Tom Wendel im Interview. Unsere beiden Redakteure, Thomas und Lukas, haben sich mit Tom Wendel unterhalten. Da er Developer Evangelist bei Microsoft ist, hat er unsere Redakteure im Interview erleuchtet und uns ein wenig aufgeklärt, was so alles mit XNA geht und wie der Markt der selbstentwickelten Spiele auf der Xbox so aussieht.

Tom Wendel stellt sich vor

 IchSpiele.cc:
Hallo Tom, stell dich doch mal kurz vor und erklär uns, was ein Developer Evangelist ist.
 Tom Wendel:
Ja, also liebes Publikum: Ich bin Tom Wendel und Developer Evangelisten laufen durch die Gegend und versuchen gute Stimmung für unsere Technologien zu machen. In meinem Fall sind das Spieleentwickler-Technologien, das heißt DirectX, XNA, was haben wir noch – mit Phone ist natürlich ein ganz neuer Aspekt dazugekommen – und deswegen bin ich jetzt hier auf der Games Convention, um Firmen zu finden, die neue Spiele machen wollen und um mit denen darüber zu reden, was man da machen kann in unserem Bereich, mit Microsoft Technologien. Also  für die Xbox, fürs Phone, mit XNA, DirectX, das ist mein Job!

Kinect überlegen?

 IchSpiele.cc:
Wir haben hier auf der Messe Kinect für die Xbox gesehen. Warum glaubst du, dass euer Kinect den anderen Systemen überlegen sein wird?
 Tom Wendel:
Also, alleine schon die Tatsache, dass es etwas später rauskommt, bringt uns den technologischen Vorteil, da es jünger ist. Damit ist doch schon mal definiert, dass es besser ist. Ansonsten hast du halt die Möglichkeit völlig ohne Controller zu spielen. Die natürlichste Art und Weise mit jemanden anderen zu agieren ist durch Gesten und Sprechen, das heißt du gehst zurück auf natürliche Interfaces. Allein das macht es zugänglich für Leute, die normalerweise nicht so Computer-affin sind. Ich bin mir nicht sicher ob es mit den Hardcore-Gamern einher geht, also ob du Counter Strike jemals ohne Controller spielen wirst – Ich glaube da hast du keinen Spaß mit – aber du hast dadurch ganz neue Möglichkeiten mit dem Gerät zu interagieren. Das heißt Sportspiele funktionieren prima.

Was soll ich denn mit einem Controller, wenn es doch darum geht zu tanzen oder irgendwelche Bewegungen zu machen. Das heißt du begehst einen ganz neuen Pfad was User-Interaktion mit dem Gerät angeht, einen wesentlich natürlicheren Weg. Und deshalb hast du neue Möglichkeiten, neue Spiele, neue Ideen rüberzubringen, und genau das wird’s machen.

Partytauglichkeit von Kinect

 IchSpiele.cc:
Okay, dann haben wir noch eine Frage zur Party-Tauglichkeit und zwar: Inwieweit kann das System mit mehreren Spielern zurechtkommen?
 Tom Wendel:
Ah, da kann ich eine lustige Geschichte erzählen: Als ich’s zum ersten Mal gespielt habe, habe ich das in einem Entwicklerbüro in Redmond gespielt und die Entwicklerbüros sind so auf drei Mal drei Meter groß, was eigentlich viel zu klein ist für die Wii und alle möglichen Bewegungsspiele. Dort haben wir zu dritt dieses Tanzspiel gespielt, wir haben wir alles abgeräumt, aber wir waren auf engsten Raum und konnten zu Dritt spielen. Also das hat mich persönlich sehr überrascht, dass das ohne Weiteres funktioniert hat, also abgesehen davon, dass wir uns alle gegenseitig ständig ins Gesicht gehauen haben. Und die Befürchtung, dass vielleicht Hintergrundgeräusche oder Menschen im Hintergrund die Erkennung ablenken könnten, hat sich nicht bestätigt.

Das hat mich eigentlich auch beruhigt zu sehen in der Lobby – auch in Redmond. Genau dieses Tanzspiel aufgebaut, und hinten sind halt ständig Leute vorbeigelaufen und haben zugeguckt und sind stehengeblieben und haben geguckt was da passiert und das hat das Gerät überhaupt nicht irritiert. Also ich hab nicht das Gefühl, dass es superempfindlich ist gegenüber Störgeräuschen und Störbewegungen im Hintergrund. Was mich auch sehr beeindruckt hat: Es ist überhaupt nicht empfindlich was Lichtverhältnisse angeht. Wir haben in dem kleinen Büro gespielt und auf meine erste Frage „Und was passiert wenn wir jetzt hier das Licht ausmachen?“, haben wir das Licht ausgemacht – es ist ja ein Infrarot-Sensor drin – und konnten ganz normal weiterspielen. Also auch das ist völlig problemfrei, ich hätt’s nicht gedacht aber… es hat mich persönlich sehr beeindruckt.

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Im Menü fuchteln

 IchSpiele.cc:
Wieso muss man in allen Menüs irgendwie komisch Rumfummeln und dann Fuchteln anstatt mal mit Sprachsteuerung – wenn das Ding doch eh ein Mikrofon hat.
 Tom Webdel:
Designfrage. Frag mich nicht. Ich war nicht beteiligt als sie’s gebaut haben. Ich geh mal davon aus, dass wir da so’n bisschen Einfluss von Minority Report haben, wo’s darum geht die Sachen so herumzuwischen, und das hat irgendwie sowas cooles. Das ist schon cooler als zu sagen „Links, rechts“, ich meine, wenn du jemals versucht hast deinen Rechner mit Sprachsteuerung zu steuern: Es ist nett nen Brief zu diktieren aber: „Fenster schließen, Word, …“ das macht keinen Spaß. Ich geh mal davon aus, es ist natürlicher mit Gesten zu arbeiten. Ich geh auch davon aus, dass sie es auch getestet haben und ein paar Versuche gemacht haben: Wie fühlt es sich an mit Sprachsteuerung, wie fühlt es sich an mit Gesten, und ich geh mal davon aus, dass die Mehrzahl der User die Gesten bevorzugt haben.

Kinect und Windows

 IchSpiele.cc:
Da wir grad von Minority Report reden: Ist es auch möglich mit dem Kinect System beispielsweise sein normales Windows zu benutzen?
 Tom Wendel:
Ähm, ne. Also das Gerät ist erstmals nur für die Xbox gedacht, das heißt es ist zwar per USB anschließbar, aber es gibt keine Treiber und kein SDK für Windows. Ob da noch jemals was kommen wird, kann ich dir nicht sagen, weiß ich nicht, würde vielleicht früher oder später Sinn machen für Spiele, wobei ich mir nicht sicher bin, wie cool es wird Windows damit zu bedienen. Du hast zwar die Gesten, aber du hast ja nicht akkurat, pixelgenau die Position deines Fingers in Projektion zu deinem Auge. Das kriegst du mit Kinect nicht. Deshalb weiß ich nicht wie sinnvoll das ist. In ferner Zukunft vielleicht, aber konkret kann ich da jetzt leider nichts zu sagen.

Ich weiß auch nicht, ob da was geplant ist. Wobei ich bin nicht sicher, wie cool das wirklich wird. Hast du schon mal probiert Windows mit Multi Touch in aktueller Version zu bedienen? Da sind halt diese neuen Technologien wofür die Interfaces nie gedacht waren. Also Bilder zoomen und so das ist ja noch ganz nett, aber wenn du Visual Studio mit Multi Touch bedienen willst, naja, das bringt dir keinen Mehrwert. Du kannst natürlich nach wie vor die Buttons bedienen das funktioniert prima, aber zwei Buttons gleichzeitig – wozu? Also, vielleicht gibt’s gar nicht so viele Szenarien, die mit Kinect abdeckbar sind in Windows, z.B. der Media Player – so multimediale Sachen immer gerne, aber das haste ja auch auf der Xbox.

Xbox rentabel?

Wie sieht’s eigentlich aus – Ist der Xbox-Sektor mittlerweile für Microsoft rentabel?
 Tom Wendel:
Ja. Also ohne jetzt konkrete Zahlen zu nennen, aber soweit ich weiß schreiben wir grüne Zahlen mit dem Ding, endlich. Jeder mit dem ich gesprochen habe, sieht sie als die coolste Plattform für Konsolenspiele und bevorzugt sie gegenüber allen anderen. Was ich ziemlich cool finde. Weil anfangs haben wir ja uns schwer getan mit der Integration der Xbox gegenüber der Playstation, aber mittlerweile ist es schon eine sehr renommierte Plattform, mit grünen Zahlen soweit ich weiß, wobei ich das jetzt nicht versprechen möchte.

Warum Xbox kaufen?

 IchSpiele.cc:
Wieso würdest du mir jetzt raten eine Xbox zu kaufen?
 Tom Wendel:
Also ich bin ja Software-Entwickler musst du wissen. Und die Xbox ist die einzige Plattform, die dir als Software-Entwickler, als Indie-Entwickler erlaubt eigene Spiele für das Ding zu entwickeln. Und das allein ist für mich schon der Entscheidungsgrund für diese Plattform. Aus spielerischem Aspekt: Das weiß ich nicht, da spiele ich zu wenig mit den anderen Plattformen rum, da wirklich einen Vergleich herzustellen. Aber meiner Meinung nach ist der Entwickler-Aspekt halt supergeil.
 IchSpiele.cc:
Ich darf dich korrigieren, denn bei der Wii kann man auch…
 Tom Wendel:
Ah, mittlerweile, stimmt.

Plausch um Low-Budget-Produktionen

 Thomas:
Mein Cousin macht irgendwie beruflich irgendwelche sinnlosen Spiele für die Wii, die alle – laut seiner Angabe – so schlecht sind, dass er jedem davon abrät sie zu kaufen, aber es reicht um davon zu leben.
 Tom Wendel:
Wie lang gibt’s n das schon? Weil mir das heute auch schon jemand erzählt hat und ich war mir nicht sicher…
 Thomas:
Die Firma macht schon seit 2 Jahren Wii Spiele. Keine Ahnung wie lang man jetzt ohne größeren Aufwand so ein Spiel dafür machen kann, aber wie gesagt, das sind dann irgendwelche Low-Budget Spiele gewesen. Unter aller Sau, weil man muss meistens nur die Wii-Mote schütteln oder sowas dummes machen, im Endeffekt.
 Tom Wendel:
Ja, guck dir die iPhone-Apps an, im Endeffekt…
 Thomas:
Die macht die Firma auch.
 Tom Wendel:
Ja klar, bietet sich ja an. Trash für das, Trash für dies. Wenn du dir die Wii-Plattform selbst, die Hardware-Ausstattung anguckst, da hast du einen ganz anderen Fokus. Ich meine, da spielst du nicht mit Hardcore 3D-Sachen, sondern da geht’s ganz klar um Spaß. Also Nintendo hat eine ganz andere Ausrichtung was das angeht, ist klar. Wusste ich nicht, ist neu für mich, aber selbst dann kann ich noch sagen, wenn du für Xbox entwickelst, hast du XNA und XNA läuft auch auf PC und läuft auf dem iPhone. Einfacher kannst du es gar nicht machen für jemanden, der quereinsteigen möchte und mal schnell ein Spiel machen möchte.

Kinect und XNA

 IchSpiele.cc:
Und Kinect kann man noch nicht mit XNA…
 Tom Wendel:
Leider noch nicht, also wir sind gerade mit der Version 4 unterwegs, da sind eben die neuen Features für das Phone drin und Kinect kam im Prinzip eben parallel. Es gibt noch keine konkreten Aussagen wann Kinect unterstützt wird mit XNA, aber das ist eine Frage der Zeit.
 IchSpiele.cc:
Und wie groß ist jetzt dieser Creator‘s Club, der XNA-Spiele für die Xbox zur Verfügung stellt?
 Tom Wendel:
Für die Konsole ist der mittlerweile relativ groß, weil es den es seit der 2. XNA Version gibt oder der ersten sogar – also schon immer. Mittlerweile ist das Ding halt völlig überfüllt, weil dadurch, dass halt wirklich jeder deployen kann, findest du ziemlich viel Müll. Das muss ich da jetzt mal ganz ehrlich sagen, aber du findest hin und wieder auch mal ein paar Perlen, die ein super-innovatives Spielkonzept haben und wirklich beeindruckend sind und die kriegst du halt für ein paar Dollar.

Detailfragen zum Creator‘s Club

 IchSpiele.cc:
Wurden da auch schon irgendwelche Dinger aus dem Market bzw Creator’s Club abgekauft und adaptiert und dann als Vollpreisspiele angeboten?
 Tom Wendel:
Also ich weiß, dass es ein paar XNA-basierte Spiele in Arcade gibt, also der nächstgrößere Marketplace quasi und da gibt ein paar Spiele die XNA-basiert sind. Aber frag mich jetzt aber nicht, ob die aus dem eigentlichen Indie-Marketplace raufgehoben wurden oder ob die speziell für die Ecke hier drin entwickelt worden sind. Aber es gibt XNA-basierte Spiele für den Profi-Markt. Also man kann durchaus auch mit dem Wissen, dass man mit XNA holt, hinterher auch professionelle Spiele machen, die du auch im Karton kriegen kannst.

Vorteile von XNA

 IchSpiele.cc:
Was für Vorteile hat XNA im Vergleich zu anderen, zum Beispiel kommerziellen Game Engines oder Open Source Engines.
 Tom Wendel:
Naja, zuerst musst du mal sagen XNA ist ja keine Engine, sondern wirklich nur die API für eine Engine, das heißt wenn du was vergleichbares holen willst, dann vergleichst du es mit DirectX oder mit OpenGL. Und sowohl DirectX als auch OpenGL programmierst du normalerweise mit C++, was für einen Einsteiger eigentlich eine Katastrophe ist. Also C++ ist uns als ein sehr guter Kompromiss aus Komplexität und Performance bekannt. Was du mit XNA hast, ist der ganze „managed“-Aspekt. Du programmierst ja in managed, das heißt das ganze Speichermanagement musst du nicht mehr selber machen und das ist eigentlich der große Vorteil. Du kannst quereinsteigen, du liest dir ein paar Tutorials durch und kannst im Grunde schon deine ersten Spiele machen. Ohne dich um die ganzen komplexen Themen wie Speichermanagement, Performance  – naja, das muss ich mit Vorsicht sagen – zu kümmern. Dort kannst du dann hinterher optimieren und hast dann halt sehr, sehr schnell in wenig Entwicklungszeit dein erstes Spiel. Das ist halt der große Vorteil.
 IchSpiele.cc:
Aber bietet XNA nicht auch Physics und sowas?
 Tom Wendel:
XNA ist wirklich nur die API, also das Pendant zu DirectX, aber es gibt ein paar Open Source Engines, sowohl 3D Engines als auch Physics Engines, die es bei Codeplex gibt (http://www.codeplex.com), also die Farseer (http://farseerphysics.codeplex.com/) zum Beispiel ist eine Physik Engine, die speziell für XNA gemacht ist, funktioniert mittlerweile auch für Silverlight, und die setzt du dann nochmal auf XNA oben drauf, aber die gehören nicht zu XNA selber. Das ist also ein separates Open Source Projekt, von der Community gemacht und dann kannst du anfangen die Engines auch mit anderen Engines zu vergleichen. Aber das ist dann kein Part des XNA-Frameworks mehr.

Grenzen von XNA

 Thomas:
Jetzt angenommen ich wäre ein gelangweilter Nerd und würde 1 Jahr lang irgendwie mein kleines XNA Spiel machen, anstatt über Spiele zu schreiben. Könnte man da dann auch wirklich einen Titel machen, der 100 Stunden Spielzeit hat und auch noch geniale Rollenspielelemente enthält?
 Tom Wendel:
Absolut. Also die Mächtigkeit von XNA ist wirklich mit der von DirectX vergleichbar, wenn nicht sogar besser dadurch, dass es ein bisschen abstrakter ist noch. Also die Abstraktion, die Komplexität ist etwas angehoben, das heißt du kannst damit wirklich vollwertige 3D Animationen machen, du kannst deine eigenen Shader schreiben, du kannst Musik, Sound, Input/Output, du kannst damit alles machen was du mit einer professionellen API auch machen kannst. Der Nachteil, was immer wieder gerne angeführt wird, wenn es um dieses Thema geht, ist eben, dass es „managed“ ist. „Managed“ bedeutet, da gibt’s im Hintergrund nochmal ein paar Bibliotheken und ein paar Prozesse, die dir das Speichermanagement abnehmen und noch ein paar andere Sachen und deswegen ist der Hauptkritikpunkt immer die Performance. Aber wenn man das ordentlich programmiert, dann kriegt man durchaus auch noch performante Sachen damit hin. Möglicherweise machst du damit keine zweite CryEngine , weil eben wirklich die Performance und die Ressourcenverwaltung da in die Quere kommen, aber du kannst durchaus komplexe Spiele damit machen.

XNA und Multiplayer

Wie sieht’s aus mit Multiplayer und XNA zum Beispiel?
 Tom Wendel:
„Großartige Frage“ – würden die Amerikaner jetzt sagen – Also zusätzlich zu den DirectX-Sachen, wie DirectPlay, als Schnittstelle für die Netzwerkkomunikation, haben wir noch die Integration von der ganzen Live-Plattform. Das heißt, das was du normalerweise mit professionellen Xbox-Spielen hast: Die ganze Kommunikation über den Live Account, mit deinem Live Avatar, wenn du möchtest, das kannst du alles ins Spiel mit-integrieren. Das heißt du kriegst eine Schnittstelle, um deinen eigenen Chat zu machen, über den Live Channel und du kannst auch die Netzwerkkommunikation, das  heißt Parties finden, eigene Sessions aufmachen, zu anderen Sessions connecten, über deine Freunde, die du im Live Space hast. Das ist alles da, das kann man mitverwenden und damit ist Multiplayer natürlich auch kein Problem.

Das Interview mit Tom Wendel führten Thomas Dunajski und Lukas Meindl.

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