Im Mai veröffentlichte ich ein Interview von mir mit Gregory Wintgens, der für Gameloft in Deutschland die Angelegenheiten der Public Relations und des digitalen Marketings verantwortet. Im Nachhinein diskutierte ich noch einige Aspekte mit Wintgens.
Speziell lagen mir zwei Punkte am Herzen. Zum einen ist dies die Effektivität, mit der Spiele entwickelt werden. Das ist eine Diskussion, die so alt ist wie die Software-Entwicklung selbst. Zum anderen mochte ich mein Bedauern darüber ausdrücken, dass Gameloft sich nach all den Jahren, in denen die Firma eine immer gleiche Strategie anwendete, im Jahr 2012 noch nicht zu mehr Risikobereitschaft entschließen mag.
Angesprochen darauf, ob die Grenzen mobilen Spielens bereits erreicht seien, erwiderte Gregory, dass es noch viele Bereiche gäbe, in denen Verbesserungspotenzial steckt. Er spricht von der „generellen grafischen Leistung“, der Bildschirmauflösung des neuen iPad und erwähnt, dass Gameloft schon gespannt auf die Quad Core Android-Devices warte.
An dieser Stelle kann man notwendigerweise eine Henne-Ei-Diskussion führen. Denn prinzipiell muss man nicht auf Quad Core CPUs hoffen oder ein Device, das einem eine bessere Bildschirmauflösung anbietet, um in der Entwicklung Fortschritte erzielen zu wollen. Tatsächlich kann man sogar bei Gameloft recht schön sehen, dass auf den jetzigen Plattformen oftmals noch sehr viel unrund läuft. Selbst bei den modernsten Shootern aus dem Hause des französischen Publishers gibt es Kantenflimmern en masse, zuletzt bei Modern Combat 3. Nicht dass Gameloft dieses Thema exklusiv hat: Resistance Burning Skies auf der PlayStation Vita bietet ebenfalls zu viel Kantenflimmern.
Gameloft macht natürlich Gebrauch von neuen Technologien, benutzt bspw. Motion Capturing, um in manchen Spielen die Animation der Figuren runder zu gestalten. Doch das ist bislang erst zaghaft zum Einsatz gekommen. Eines der positiven Beispiele aus der Spielebranche ist Entwickler Naughty Dog. Wenn man sich als Spieler ansieht, welcher Weg dort von Uncharted 1 bis zuletzt zu Uncharted 3 gegangen wurde, kann man sich fragen, warum andere Entwickler nicht auch Spiele optimieren, damit sie eine Plattform ausreizen. Es gibt mit John Carmack und id Software oder in Form von Epic Games mit der eigenen Unreal Engine 3 Beispiele von Entwicklern, die auf der iOS-Plattform Erstaunliches geleistet haben. Gameloft selbst hat die Unreal Engine 3 lizenziert und will Spiele damit für die mobilen Plattformen anbieten.
Die Bereitschaft zum Risiko scheint bei Gameloft eher gering zu sein. Im Interview wollte ich von Wintgens wissen, warum Gameloft von Multitouch oder Gyrosensor nur zaghaft Gebrauch macht. Er wiegelte ab und gab aber zu, dass ein komplettes Spielkonzept um eine Steuerungsmöglichkeit herum zu entwickeln sehr riskant sei.
„In Titeln zu denen es passt bieten wir Gyro-Steuerung für gewöhnlich als Option an. Ein komplettes Spielkonzept um eine Steuerungsmöglichkeit herum zu entwickeln halte ich hingegen für sehr riskant.“
Gregory Wintgens
SEGA war ein derjenigen Firmen, die relativ zu Beginn recht prominent von Apple vorgestellt wurden, als sie mit Super Monkey Ball ein Geschicklichkeitsspiel veröffentlichten, das die Bewegungssteuerung zum Status Quo gemacht hat, wenngleich das auf anderen Plattformen durchaus besser funktioniert hat.
Gregory hat bei seiner Äußerung außer Acht gelassen, welch immensen Erfolg die Nintendo Wii gehabt hat. Lange Zeit hatte die Konsole doppelt so viele verkaufte Einheiten zu Buche stehen, wie PlayStation 3 und Xbox 360 zusammen. Wenn man sich ansieht, wie viele Spiele für die Wii einzig um das Konzept der Bewegungssteuerung herum entstanden sind, fragt man sich, ob es tatsächlich riskant ist, so etwas in den Blick zu nehmen; Microsoft dringt mit Kinect sogar bis in die Wohnzimmer der Leute.
Doch Gamelofts Strategie, wenn ich sie so nennen kann, sah, wenn man sie aus der Entfernung beobachtet, immer nur die Adaption von Spielideen vor.
Seit Freemium in Mode gekommen ist, ist Gameloft auf diesen Zug aufgesprungen. Davor gab es aber neben den „adaptierten“ Action-Games immer schon Lizenzprodukte, die Gameloft entwickelte, sei es für Ubisoft (Die Siedler, Assassin’s Creed) oder andere wie Marvel (Iron Man, Spider-Man, etc. pp.), also bereits auf Java oder Symbian.
N.O.V.A. 3 erinnerte zuletzt an Crysis, Starfront: Collision ist ein StarCraft-Klon und mit einem mobilen Fantasy-MMORPG hat Gameloft recht früh einen Markt belegt, der noch von keinem größeren Entwickler in Beschlag genommen wurde. Doch für Order and Chaos Online orientierte man sich ebenfalls am Vorbild World of WarCraft. Es ist also nicht verboten zu fragen, wie viel Risiko Gameloft überhaupt eingeht? Meiner Meinung nach ist Gameloft so etwas wie der Dieter Bohlen des Mobile Gamings. Auf seine Art sehr erfolgreich, aber nicht immer und überall gut gelitten. Doch viel Ehr bedeutet eben auch viel Neid. Doch je öfter man Gameloft-Produkte spielt, desto mehr erkennt man diese generischen Muster.
Gameloft ist, verglichen mit Activision oder EA, nicht so groß, aber nagt auch nicht am Hungertuch. Entsprechend würde ich mir ein wenig mehr Risikobereitschaft wünschen.
Durchaus identifizieren konnte ich mich mit Gregorys Meinung, dass die fehlenden Buttons an iPhone und iPad nur für diejenigen ein Problem darstellen, die sich nicht auf das neue Steuerungskonzept einlassen wollen. Apples Touch-Devices hatten seit jeher mit die besten Touchscreens. Eine reibungslose Bedienung – immer vorausgesetzt der Entwickler hat nicht geschlampt – ermöglichte auf iOS-Devices entsprechend gutes Spielen.
Gameloft wird sicher weiterhin „auch“ gute Spiele veröffentlichen, aber ich habe meine Zweifel, dass die angesprochene Risikobereitschaft mit der Zeit zunehmen wird.
Noch weniger glaube ich aber, dass man bei Gameloft mittelfristig Spiele anfängt zu optimieren, damit sie möglichst viel aus einer Plattform rausholen. Natürlich gibt es Innovationen bei Gameloft, diese sind aber eher einem Trend geschuldet und weil viele diesen verfolgen, wäre Gameloft schlecht bedient, ihn nicht mitzugehen.
Darüber hinaus habe ich selbst Entwickler und Producer von Gameloft in Paris kennengelernt, die trotz eines lockeren Ambientes und einer Abendveranstaltung insgesamt sehr gestresst und angespannt wirkten. Meine „Vermutung“ ist, dass es bei Gameloft „auch“ auf Quantität ankommt. Denn der Hersteller produziert im Vergleich zu anderen Anbietern jährlich recht viele Spiele. Natürlich darf man die Gewinnspanne bei iOS- und Android-Games nicht außer Acht lassen. Wenn die letztlich größer würde, über teurere Preise, dann würde Gameloft eventuell mehr Zeit in ein Spiel investieren lassen, aber eben nur eventuell.
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