Autor:  13.12.2005, letztes Update: 01.07.2018

Benjamin Nitschke über Rocket Commander und Killerspiele

Arena Wars - Screenshot
Arena Wars - Screenshot

Benjamin Nitschke im Interview. Rocket Commander heißt das neuste Projekt von Benjamin Nitschke. Der 25-jährige Entwickler verantwortete bereits die Echtzeit-Strategiespiele Arena Wars und Armies of Steel. Im Gespräch mit IchSpiele spricht der Hannoveraner über sein Projekt für Microsoft, über Spieleentwicklung, „Killerspiele“ und die Zukunft.

 Frederic Schneider:
Benjamin, die Entwicklungen der ersten Betaversionen für dein neustes Projekt, Rocket Commander, wurden abgeschlossen. Wie fühlst du dich?
 Benjamin Nitschke:
Ein bisschen müde, vorgestern zu viel gearbeitet und gestern auf der Geburtstagsparty von meinem Großvater gewesen. Und wie immer viel zu wenig geschlafen. Ansonsten ist es toll, dass das Projekt jetzt fertig ist. Das Feedback war auch durchweg gut.
 Frederic Schneider:
Du arbeitest bei deinem Projekt mit Softwareriese Microsoft zusammen. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
 Benjamin Nitschke:
Ich habe Dirk Primbs, Developer Evangelist von Microsoft Germany, im Januar auf der Quo Vadis (eine Entwicklerkonferenz von Microsoft in Essen) kennengelernt und Mitte des Jahres kam er nochmal auf mich zurück. Er fand Arena Wars ganz großartig. Ein paar Monate später hatte er mich dann zur PDC (Veranstaltung für Entwickler von Microsoft in den USA) eingeladen und dort hab ich dann nicht nur ihn, sondern lauter andere Microsoft-Leute kennen gelernt.

Schon auf der PDC haben wir über „CodingForFun“ geredet und was Microsoft so tut im Bereich Managed DirectX – in den USA leider herzlich wenig. Einen Monat später erhielt ich dann eine Anfrage, ob man nicht ein kleines Spiel zusammen machen könnte. Ich habe daraufhin fünf bis sechs Spielideen vorgeschlagen und der Rocket Commander wurde einstimmig als coolstes und passendes Spiel ausgewählt. Anfang November ging dann die Entwicklung los.

 Frederic Schneider:
Bei Rocket Commander ist es nicht das Ziel zu zerstören, sondern möglichst unbeschadet an das Ziel zu kommen. Wie kam diese – eher ungewöhnliche – Idee bei den Menschen an?
 Benjamin Nitschke:
Die Grundidee ist schon recht alt. Ähnlich wie beim EuroVernichter hatte ich das Ganze schon ein bis zwei Jahre im Kopf und jetzt wurde die Idee lediglich konkret. Ganz am Anfang war es mir fast unmöglich irgendjemanden begreiflich zu machen, warum das Spiel cool und was der Spielwitz ist. Niemand fand die Idee auch nur im Ansatz gut: Was soll schon daran lustig sein, durch die Gegend zu fliegen und nichts zerstören zu dürfen? Es kamen am Anfang der Entwicklung auch Vorschläge, das Spiel aus der Aussenperspektive zu zeigen (wie im Spiel „Space WiSims“), aber das hätte das komplette Spielprinzip zerstört. Ist immer sehr schwierig sowas zu erläutern, wenn das Ganze nur auf Papier und im Kopf und nicht auf dem Bildschirm in Echtzeit passiert.

Jetzt, wo das Ganze eingebaut ist, hab ich auch meine eigenen Zweifel verloren. Es macht echt Spaß durch den Weltraum zu fliegen. Das Feedback bei den Beta-Testern war eigentlich sehr positiv. Für so ein kleines Fungame ist es also absolut gelungen.

Zukunft der Spieleentwicklung

 Frederic Schneider:
Du setzt in deinem Projekt die neue Generation des „.NET“-Frameworks (Version 2.0) ein. Was bietet die neue Version für Spieleentwickler?
 Benjamin Nitschke:
Ich habe in der aktuellen Ausgabe von „Gamestar/dev“ einen Artikel über die Performance von Spielen und „.NET 2.0“ veröffentlicht. Es gibt da schon eine ganze Menge kleiner Vorteile: Beispielsweise hat die Entwicklung des Webservers für EuroVernichter schon 2-3 Tage gedauert und dann musste ich noch ein extra Serverprogramm zur Verwaltung schreiben. Mit „.NET 2.0“ hat das Entwickeln eines Webservices, die Erstellung der Datenbank, die Internetseite und die Einbindung in das Spiel gerade mal einen halben Tag gedauert (das Grundgerüst steht).

Generell kann man sagen, dass der Entwickler sich in „.NET 2.0“ durchweg beim Benutzen von sogenannten „Generics“ und „Anoymous delegates“ das Schreiben von neuem Code erleichtert. Im Detail bedeutet das nun, dass man nicht mehr einen Haufen von „Listen“ hat, wo man in der Regel die Typen nicht kennt, sondern nun ist es, sozusagen, möglich, direkt auf den Inhalt zuzugreifen ohne „Verrenkungen“ machen zu müssen, die mit älteren Versionen von „.NET“ noch erforderlich waren.

 Frederic Schneider:
Viele Spieleentwickler schwören noch auf die weit verbreitete Programmiersprache C++, einige sogar noch auf C. Wann kommt der Durchbruch für C#, mit der du entwickelst?
 Benjamin Nitschke:
Normalerweise sind Spieleentwickler immer ihrer Zeit voraus und setzen schon lange vor den Menschen des Business auf neue Technologien. Im Bereich von Skriptsprachen, Tools, Programmen et cetera funktioniert das auch ganz gut. Aber Programmiersprachen werden erst sehr sehr spät nach dessen Veröffentlichung von den Entwicklern angenommen. Das war vor 20 Jahren mit Assembler und C, sowie vor über 10 Jahren mit C++ nicht viel anders. Viele Programmierer benutzen immer noch Assembler und C. Sogar der Quelltext der Quake-3-Engine sieht nach C aus.

C# und „.NET“ haben inzwischen schon einige Jahre auf dem Buckel und es sollte sich so langsam rumgesprochen haben, dass es hier und da auch Vorteile bietet. Ein Hauptproblem dabei ist schlicht und einfach, dass man selbst die beste und dynamischste Engine der Welt einfach nicht mal eben so von C++ nach C# umschreiben kann („portet“). Im Prinzip muss man also von null wieder anfangen und diese Mühe möchten sich nur wenige machen. Wenn ich mir mal die Spielewelt von heute anschaue, dann wundert es mich auch nicht, dass niemand auf komplett neue Technologien setzen will. Es gibt ein Nachfolgerspiel nach dem Andern. Ich glaube in keinem Jahr sind so viele Sequels wie in diesem Jahr erschienen. Auch viele neue Spiele sind noch mit alten Engines geschrieben.

Seitens Microsofts wurde aber auch viel verschlafen oder einfach ignoriert. Wer zum Beispiel „.NET“ auf einer „Console“ benutzen möchte, ist auf sich alleine gestellt. Erst in Zukunft (für die Xbox 360) verspricht Microsoft Besserung. Der Support von Managed DirectX ist auch unter dem Durchschnitt (wesentlich weniger Tutorials und Beispiele und einige Features lassen Monate und Jahre auf sich warten).

Der Durchbruch wird eher schleichend kommen. Viele benutzen „.NET“ jetzt schon für Tools und kleinere Dinge. Nach und nach wird mehr und mehr in Managed Code geschrieben (weil es einfach schneller geht) und wenn dann der Grossteil umgestiegen ist, gibt es bestimmt wieder was neues! (grinst)

 Frederic Schneider:
Du hast mit deinen Projekten schon viel erreicht, wovon viele angehende Entwickler nur träumen dürfen. Was hast du noch für Ziele?
 Benjamin Nitschke:
In naher Zukunft möchte ich noch paar kleine Spiele nebenbei entwickeln. Dann natürlich unser neues Spiel, Armies of Steel. Und in ferner Zukunft würde ich ganz gerne eine eigene Skriptsprache entwickeln mit vielen neuen Features, die schon seit Jahren in meinem Kopf rumschwirren. Gibt ja noch nicht genug Programmiersprachen.

„Große Entwicklerstudios sind nicht gerade sexy“

 Frederic Schneider:
Zieht es dich nicht manchmal zu großen Entwicklerstudios – Crytek (Far Cry) in Deutschland oder sogar zu Blizzard (WarCraft) oder Epic Games (Unreal) in das Ausland?
 Benjamin Nitschke:
Große Entwicklerstudios sind nicht gerade sexy. Die ganzen Designer, Programmierer und Ko verlassen meistens auch das Studio, wenn es ihnen zu „groß“ wird. Dann gründen sie neue Unternehmen, um wieder kreativ sein zu können. Beispielsweise der Netzwerkcode von GuildWars ist sehr gut und, wen wundert es, es sind die gleichen Entwickler, die vor sieben bis acht Jahren das Battle.net erschaffen haben.
 Frederic Schneider:
Vor kurzem wurde bekannt, dass der französische Staat Spieleentwicklerstudios subventioniert. Die deutsche Bundesregierung bleibt bis dato stur. Wie gehen die Studios damit um?
 Benjamin Nitschke:
Es ist traurig für uns Deutsche. Generell halte ich von Subventionen wenig (zum Beispiel für Steinkohle), aber wenn man das mit der Filmindustrie oder dem Ausland vergleicht, herrschen bei uns noch unfaire Verhältnisse. Ich denke aber, dass sich das zumindest in ferner Zukunft ändern wird. Da mehr und mehr Politikern klar wird wie wirtschaftlich wichtig Computerspiele sind.

Killerspiele: „Uuh, böse rote Pixel bei C&C“

 Frederic Schneider:
Apropos Politik: In den vergangenen Tagen waren Computerspiele in der „großen“ Presse wieder in aller Munde – „Killerspiele“ ist das Stichwort. Begegnet man als Entwickler solchen öffentlichen Debatten sehr kritisch? Wie ist es, wenn die Politiker sich mit etwas beschäftigen, worüber man sagt, dass sie davon keine Ahnung haben?
 Benjamin Nitschke:
Nein. Diese Diskussionen werden schnell langweilig. Das war vor 15 Jahren schon genau das Gleiche („uhh, böses Wolfenstein“ [heute indiziert, Anmerkung der Red.], später Doom), vor 10 Jahren („uhh, böse rote Pixel bei Command and Conquer“), vor 5 Jahren (Counter-Strike und Co.) und heute genauso. Es kommen keine neuen Argumente und wenn man auf die Spiele zurückblickt, ist es echt lächerlich worüber man sich heuer aufregt.

Natürlich sollten Horrorfilme und Horrorspiele nur an Erwachsene verkauft werden, aber alles zu verteufeln und ständig mit „Killerspielen“ zu argumentieren ist kindisch. Da ist mir mehr von den Amerikanern bekannt, bei denen es viele „religious right people“ (extrem moralisch rechtfertigende Christen) gibt, die Erotik und Sex in den Medien und auch bei Computerspielen verteufeln. Zum Beispiel der Riesenaufstand bei GTA3 und den Nacktszenen oder hohe Strafen, wenn eine Schauspielerin sich „aus Versehen“ entblößt hat. Bei uns ist es Gewalt, aber letztendlich hat das alles nichts damit zu tun, dass es ein paar „Wackos“ immer geben wird. Es gab früher auch Mörder und die konnten noch keine Horrorfilme oder Spiele sehen.

 Frederic Schneider:
Schränken Euch solche Hindernisse bei der Entwicklung eines Spieles ein, wie bei Eurem neuen Projekt, Armies of Steel?
 Benjamin Nitschke:
Nein, uns berührt das nicht. Wir basteln keine „Killerspiele“. Nur strategisch und pädagogisch wertvolle Spiele kommen aus unserem Hause. (lacht)

Nein, aber im Ernst: Es ist nur traurig, wenn man sich manch andere Spiele anschaut. Postal ist ja eins der verteufelsten Games überhaupt (übrigens: Postal 3 wurde vor kurzem nochmals angekündigt [grinst]). Man wundert sich doch sehr, dass man das als erwachsene Person nicht kaufen darf oder dass man es sonst nicht erwerben kann.

 Frederic Schneider:
Kannst du uns zu eurem „strategisch und pädagogisch wertvollen“ Armies of Steel schon genaueres verraten?
 Benjamin Nitschke:
Nein, das geht natürlich nicht. Das ist alles noch streng geheim (grinst).

Rocket Commander: Zusammenarbeit mit Microsoft ist „freundschaftlich“

 Frederic Schneider:
Wie geht es mit Rocket Commander und der Zusammenarbeit mit Microsoft weiter. Erscheint Armies of Steel beim Softwareriesen?
 Benjamin Nitschke:
Die Zusammenarbeit mit Microsoft ist kein Entwickler-Publisher-Verhältnis, sondern ein freundschaftliches. Aber natürlich werden wir versuchen uns mit den Microsoft Technologien vertraut zu machen und sicherzustellen, dass Armies of Steel auch perfekt auf Microsofts neuem Betriebssystem Vista läuft und sogar schon DirectX 10 benutzt. (Übrigens: Die „DirectX10 Technical Preview“ ist gestern im Dezember DirectX SDK erschienen.)
 Frederic Schneider:
Wie verläuft ansonsten die Suche nach einem gutem Publisher?
 Benjamin Nitschke:
Generell ist das Interesse schon vorhanden. Wir haben allerdings auch noch nicht so viel zum zeigen: Anders als bei Arena Wars wollen wir nicht zu früh Versionen oder Screenshots zeigen, sondern nur Gourmet-Kost verteilen.
 Frederic Schneider:
Benjamin, vielen Dank für dieses Gespräch.

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