Bald ist Games Convention in Leipzig. Bald haben wir die Möglichkeit 35 Jahre Videospiel-Geschichte in Ausschnitten erleben zu dürfen. René Meyer sei Dank. Vor einigen Tagen berichteten wir über die Ausstellung: „35 Jahre Telespiele – 1972-2007„. Auf 200 Quadratmetern in Halle 5 wird man an Stand B20 die Möglichkeit haben, einzutauchen in die Videospiel-Historie. Der Initiator der Ausstellung ist kein Unbekannter. Vor allem in Kreisen von Computer- und Videospielern sollte René Meyer sich über die Jahre einen Namen gemacht haben. Er gibt unter anderem die stetig erscheinende Lektüre „Mogelpower“, für die Meyer sich auszeichnet. Nach der Berichterstattung über die „einzigartige Sonderausstellung“ wollten wir unter anderem wissen, wieso und warum René Meyer sie veranstaltet.
solch eine Ausstellung zu organisieren?Wie kamen Sie auf die Idee,
Schon immer habe ich gesammelt… und meine Schätze gern gezeigt (grinst). In der Vergangenheit nutzte ich regelmäßig Gelegenheiten, einzelne Geräte im kleineren Rahmen vorzuführen. Mittlerweile könnte meine Sammlung ein ganzes Museum füllen. Als Leipziger, der bereits an zahlreichen Projekten im Umfeld der GC mitwirken durfte, lag es auf der Hand, der Messegesellschaft eine Ausstellung vorzuschlagen. Sie steht dem Retro-Gedanken sehr offen gegenüber; man denke an die Sonderausstellung „Pong Mythos“ im vorherigen Jahr.
200 Quadratmeter Fläche mit Objekten der Videospielgeschichte zu füllen ist bestimmt keine einfache Aufgabe. Wie groß war der Aufwand, die Logistik?
Die Ausstellung ist eine Kooperation mit der Leipziger Messe, die sich um den Standbau kümmert, sodass ich mich ganz auf die Exponate konzentrieren kann. Das war nötig, denn ich wollte nicht nur einfach die Geräte aufstellen, die vorhanden waren. Es sollte eine halbwegs vollständige, repräsentative Auswahl sein. Dazu war es nötig, noch zahlreiche Konsolen und vor allem Home Computer nachzukaufen, die mir in der Entwicklungsgeschichte der Spiele wichtig erschienen. Das war eine Arbeit von mehreren Wochen und eine Investition von mehreren Tausend Euro – die ziemlich viel Platz wegnimmt. Einige Geräte lieh ich mir von Freunden aus.
Gibt es Ausstellungsstücke, auf die Sie besonders stolz sind?
Froh bin ich über viele Exponate. Die erste Spielkonsole von 1972, deren Grafik so einfach war, dass man Folien mit dem jeweiligen Hintergrundbild auf den Fernseher legen musste. Die erste Pong-Konsole von Atari. Die einzige Konsole der DDR. Die kultige Vectrex-Konsole mit eingebautem Bildschirm. Ein Design-Taschenrechner aus den 70ern mit eingebautem „Black Jack“. Der gefloppte Home Computer Coleco Adam aus den frühen 80ern. Der ein Meter lange Controller zum Xbox-Spiel „Steel Battalion“.Das rarste Stück dürfte die Ausgabe der Zeitschrift Popular Electronics vom Januar 1975 sein. Die Ausgabe gilt als bedeutendstes Magazin in der Computergeschichte. Titelthema war die Vorstellung des ersten Home Computers, des Altair 8800, der für gerade 500 Dollar zu haben war. Damit begann die Ära des persönlichen Rechners. Vorher galten Computer als etwas, das in Universitäten stand und 100.000 Dollar kostete. Die Studenten Paul Allen und Bill Gates lasen das Heft und beschlossen, die Programmiersprache BASIC für den Altair umzusetzen, was zur Gründung von Microsoft führte.
Wie genau schaut ihre Kooperation mit dem französischen Verein MO5.COM aus?
Der Retro-Verein hat eine eigene Ausstellung, doch wir erkannten schnell, dass wir zusammen viel mehr erreichen können. Also wurden beide Stände zusammengelegt. Mehr als ein Dutzend spielbare Geräte von MO5.COM plus über 200 Konsolen Homecomputer, Zubehör, Software und Literatur als Anschauungsobjekte in Vitrinen ergeben nun ein umfassendes Bild über die Entwicklung der Spiele. Neben gegenseitiger Promotion tauschen wir Geräte aus. Auf diese Weise kann ich einen französischen Home Computer ausstellen, während MO5.COM einen Computer aus Deutschland zeigt. Auch Präsentationen und Führungen umfassen beide Stände.
„35 Jahre Telespiele“ – wie die Ausstellung im Titel heißt – kommen, für heutige Verhältnisse, einer Ewigkeit gleich. Ist die Bedeutung der Videospielgeschichte gesellschaftsfähig geworden? Sprich: Können Konsolennamen und Videospielhelden neben Che Guevara und dem Kalten Krieg in den Geschichtsbüchern vermerkt werden?
Spiele haben noch längst nicht den Stellenwert in Gesellschaft und Kultur, den sie von ihren Verkaufszahlen her verdienen würden. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Die unsägliche Killerspiel-Diskussion findet nur in den obersten Bundesebenen statt. Selbst Landesminister erkennen zunehmend, dass Spiele eine Wirtschaftskraft sind, um die es sich zu bemühen lohnt. Auch das Kino wurde in den Anfangsjahren von der Oberschicht gemieden, da es auf Jahrmärkten geboren wurde. Erst als in den 20er Jahren prächtige Kinopaläste entstanden, musste man sich nicht mehr für das Vergnügen „schämen“. Heute erfüllen Partyspiele wie „SingStar“, „Buzz“ und „Wii Sports“ diese Funktion, indem sie die Zielgruppen für Spiele erweitern. Überall bemerkt man, wie die Akzeptanz für Spiele größer wird. Der sächsische Ministerpräsident besucht die GC, es gibt laufend Konferenzen über Spiele, Studiengänge und Vorlesungsreihen entstehen, Künstler wie Yvonne Catterfeld oder gar Nicole Kidman werben für Spiele.Ich würde mich freuen, wenn Spieleunternehmen ihre Wurzeln mehr würdigen würden, als fortwährend nur ihre Retrotitel aufzulegen. Allerdings sind viele klangvolle Namen von damals erloschen oder existieren nur noch als Marke.
Wenn man eine Entwicklung über so viele Jahre in den Blick nimmt, fallen einem mit Sicherheit auch Veränderungen im Sektor der Computer- und Videospiele auf. Welche Veränderungen würden Sie anmerken wollen, die Ihnen besonders ins Auge fallen?
Die ersten Spiele wurden für Spielhallen entwickelt. Sie mussten auf Anhieb zu verstehen sein, aber nicht so einfach, dass der Spieler für 25 Cent den ganzen Abend unterhalten werden musste. Home Computer in den 80ern boten mehr Speicherplatz für umfangreichere Spiele. Die ersten Vertreter der CD-ROM-Generation in den 90ern konzentrierten sich zu sehr auf Videos… und vergaßen das eigentliche Spiel. Heute ist der Markt so groß, dass es für alle Spielertypen genügend Auswahl gibt – schwere und komplexe Strategiespiele für den Profi, einfache, schnell zu erfassende Unterhaltung für den Gelegenheitsspieler.Vielleicht werden sich die Entwickler zukünftig mehr bemühen, mit einem Spiel alle Zielgruppen zu erfassen, indem sie den Schwierigkeitsgrad nicht nur durch Ändern einiger Variablen anpassen, sondern durch Dehnen und Biegen der Komplexität.
Faszinierend und zugleich bezeichnend finde ich, dass der Urvater der Spieleindustrie, Ralph Baer, bereits 1966 in seinem ersten Konzept für eine Spielkonsole viele der Möglichkeiten ersann, auf denen Spiele heute ganz oder teilweise basieren: Action, Sport, Lernspiele, Brett- und Kartenspiele … Wirkliche Neuerungen gibt es kaum noch. So liegt die Herausforderung für die Entwickler eher darin, Vorhandenes perfekt zu kombinieren, wie “World of WarCraft” trefflich zeigt.
Am auffälligsten ist freilich die Entwicklung der Grafik. Am Anfang gab es nur Quadrate und Striche, dann kamen grobpixlige Männchen – und heute werden selbst Gesichter lebensecht animiert.
Gibt es Pläne, solche Ausstellungen auch an weiteren Standorten zu organisieren?
Ursprünglich dachte ich an ein einmaliges Vorhaben, aber nun gibt es bereits Anfragen aus anderen Städten. Noch reizvoller fände ich eine Dauerausstellung in Leipzig.
Schreibe einen Kommentar