Autor:  25.01.2007, letztes Update: 30.05.2018

Im Interview: Spielraum möchte nach Emsdetten Medienkompetenz fördern

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Spielraum im Interview. Deutschland erlebte im vergangenen Jahr den Amoklauf von Emsdetten. Ein von seiner Umwelt sozial isolierter Jugendlicher ahmte das Computerspiel Counter-Strike nach. An der Geschwister-Scholl-Realschule verletzte er andere und tötete sich in der Folge selbst. Seitdem wird wieder eine „Killerspieldebatte“ geführt. Stimmen nach einem Verbot solcher Spiele wurden laut.

Initiative zur Medienaufklärung an FH Köln

Vor kurzem gründeten die Fachhochschule Köln und die Computer- und Videospielehersteller Electronic Arts und Nintendo eine Initiative. Die heißt Spielraum und versucht einen eigenen, konstruktiven Beitrag zur Debatte beizusteuern. Man möchte die Förderung der Medienkompetenz vorantreiben. Besonders Eltern und Pädagogen sollen in Spielraum eine bundesweite Anlaufstelle erhalten.

Unser Dank geht an André Czauderna vom Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der FH Köln, der, stellvertretend für Frau Tanja Witting, meine Interview-Fragen beantwortete.

Spielraum für mehr Medienkompetenz

 Alexander Trust:

Sie haben vor kurzem in Kooperation mit den Spieleherstellern Electronic Arts und Nintendo an der FH Köln die Initiative „Spielraum“ gestartet. Diese soll helfen, Medienkompetenz zu vermitteln. In der offiziellen Pressemitteilung heißt es, um die „Digitale Kluft zwischen den Generationen zu überbrücken“. Woran genau machen Sie die Kluft zwischen den Generationen in Bezug auf Medienkompetenz im Bereich von Computer- und Videospielen fest?

 André Czauderna:

Viele Erwachsene wissen recht wenig über aktuelle Computer- und Videospiele. Zwar dürfte ein beachtlicher Anteil der Erwachsenen Spieleklassiker wie z.B. Tetris kennen und durch die Medien von den so genannten Killerspielen gehört haben. Aber aktuelle Computer- und Videospiele, geschweige denn gewalthaltige Computer- und Videospiele, werden viele von ihnen noch nicht ausprobiert haben. Kurzum, die Kluft zwischen den Generationen besteht zunächst einmal in den vorhandenen Erfahrungen mit aktuellen Computer- und Videospielen. Problematisch ist dies insofern, als dass wer Kindern und Jugendlichen einen angemessenen Umgang mit Computer- und Videospielen beibringen möchte, erst einmal wissen sollte, was Kinder und Jugendliche heutzutage überhaupt spielen.

 Alexander Trust:

Welche Zielgruppen wollen Sie mit dem Projekt vor allem erreichen?

 André Czauderna:

In erster Linie möchten wir all jene erreichen, die Kinder und Jugendliche erziehen und/oder pädagogisch mit ihnen arbeiten. Im Einzelnen also Eltern, Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen usw. Eine ganz besondere Herausforderung wird es sein, auch diejenigen zu informieren, die zwar wenig Kenntnisse über, jedoch viele Vorbehalte gegenüber Computer- und Videospielen haben. Mit so genannten niedrigschwelligen Angeboten wie Informationsveranstaltungen an Schulen (beispielsweise im Rahmen von Elternabenden) und einer allgemeinverständlichen Website möchte sich „Spielraum“ aber auch dieser Herausforderung stellen.

 Alexander Trust:

Gibt es bereits erste Anfragen oder Reaktionen seitens anderer Institutionen (z. B. Schulen, Behörden), und wenn ja, wie sehen diese aus?

 André Czauderna:

Ja, die gibt es. Einige Einrichtungen der Erwachsenenbildung sowie Schulen haben ihr Interesse an unseren Informationsangeboten bereits angemeldet. Zudem liegen uns zahlreiche Anfragen von Personen vor, die sich vorstellen können, selbst als medienpädagogische Referenten für „Spielraum“ tätig zu werden. Langfristig verfolgen wir den Plan, ein bundesweites Netzwerk von geschulten Referenten aufzubauen, so dass sich Institutionen aus ganz Deutschland, die Informationsveranstaltungen zu Computer- und Videospielen anbieten möchten, an „Spielraum“ wenden können.

 Alexander Trust:

Deutschland hat nach dem Fall von Emsdetten eine so genannte Killerspieldebatte in der medialen Öffentlichkeit erlebt. Computerspieler, Hersteller von Spielen und Journalisten in dem Sektor fühlen sich stigmatisiert. Viele zweifeln ihrerseits an der Medienkompetenz von den in der Öffentlichkeit präsentierten Fachleuten und/oder Politikern, die z. B. ein Verbot von Killerspielen fordern. Welche Position kann die „Spielraum“-Initiative hier einnehmen, und kann sie überhaupt objektiv Stellung dazu nehmen? – Immerhin wird sie doch von Spieleherstellern maßgeblich finanziell unterstützt.

 André Czauderna:

„Spielraum“ ist eine pädagogisch orientierte Institution, die sich dazu verpflichtet fühlt, Eltern und Pädagogen zu befähigen, Kindern und Jugendlichen einen angemessenen Umgang mit Computer- und Videospielen beizubringen. Wir werden öffentlich Stellung beziehen, vor allem dann, wenn wir meinen, dass es der Diskussion an Sachlichkeit mangelt. Dabei ist es uns wichtig, Risiken und Chancen der Computer- und Videospielnutzung gleichermaßen zu thematisieren. Wir sind hierbei ausschließlich wissenschaftlichen Erkenntnissen und pädagogischen Erfahrungen verpflichtet. Die Spielehersteller üben keinerlei Einfluss auf die inhaltliche Arbeit von „Spielraum“ aus. Im Übrigen beruht die Position von „Spielraum“ auf einem von Öffentlichkeit, Politik und Industrie getragenen Konsens, nämlich, dass mit Computer- und Videospielen maßvoll und altersgerecht umgegangen werden sollte. Dieser ist von der zugespitzt geführten „Killerspieldebatte“ zeitweilig bloß verdeckt worden.

 Alexander Trust:

In einer Pressemitteilung kündigen Sie an, so genannte „Multiplikatoren“ auszubilden. Was kann man sich darunter vorstellen?

 André Czauderna:

Zum einen werden wir medienpädagogische Referenten ausbilden, die dann selber Informationsveranstaltungen zu Computer- und Videospielen durchführen können. Diese von uns geschulten Referenten bezeichnen wir als Multiplikatoren. Wir gehen davon aus, dass sie mit ihren eigenen Veranstaltungen zur Vervielfachung des Anteils derjenigen Eltern und Pädagogen beitragen werden, die über Computer- und Videospiele informiert sind. Zum anderen werden wir Lehrer, Erzieher, Sozialpädagogen etc. aber auch direkt im Hinblick auf ihren pädagogischen Alltag über Computer- und Videospiele informieren. Auch diese von uns ausgebildeten Pädagogen betrachten wir als Multiplikatoren. Sie können ihr erworbenes Wissen sowohl dazu nutzen, Kinder und Jugendliche zu einem angemessenen Umgang mit Computer- und Videospielen anzuleiten, als auch dazu, die Eltern der von ihnen betreuten Kinder und Jugendlichen über Computer- und Videospiele zu informieren.

 Alexander Trust:

Weiterhin heißt es, zu diesen Multiplikatoren könnten beispielsweise „Studierende und externe Pädagogen“ ausgebildet werden. Wie genau sollen Studierende als Multiplikatoren Medienkompetenz vermitteln helfen? Einfach indem sie auf ihr Umfeld aktiv einwirken und mit medial weniger kompetenten Akteuren kommunizieren?

 André Czauderna:

Bei den Studierenden, die wir zu Multiplikatoren ausbilden werden, wird es sich ganz speziell um Studierende der Sozialen Arbeit unserer Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften handeln. Wenn Sie so wollen, wird der durch die Ausbildung von Studierenden erhoffte Multiplikationseffekt in seiner Gänze erst mit einer gewissen Zeitversetzung eintreten, nämlich dann, wenn die Studierenden ins Berufsleben eintreten und die Möglichkeit bekommen, ihr Wissen an Eltern und Kollegen weiterzugeben sowie Kindern und Jugendlichen Medienkompetenz zu vermitteln. Angedacht ist zudem, dass die von uns ausgebildeten Studierenden nach Abschluss ihres Studiums als Referenten für „Spielraum“ tätig werden können, so dass sich ein weiterer Multiplikationseffekt einstellen dürfte.

 Alexander Trust:

Zum Abschluss noch folgende Frage: Können Sie sich vorstellen, dass irgendwann ein Mal kein Bedarf an Aufklärung mehr bestehen könnte, weil die heutigen Generationen „@“, „dot.net“, „Web 2.0“ und so fort, mit der Technik aufwachsen? Oder sehen Sie selbst bei dieser Klientel für die Zukunft eine Nachfrage?

 André Czauderna:

Meiner Meinung nach wird der Bedarf an Aufklärung weiter bestehen. Denn eigene Erfahrungen mit dem Medium der Computer- und Videospiele alleine werden nicht ausreichen, um Kindern und Jugendlichen einen angemessenen Umgang mit ebendiesen Spielen beibringen zu können. Um nur ein Beispiel zu nennen: Auch eine Person, die regelmäßig Computer- und Videospiele spielt, wird nicht unbedingt wissen können, wie genau bestimmte Spielinhalte im Zusammenhang mit der Interaktion mit dem jeweiligen Computer- oder Videospiel auf Heranwachsende in ihren altersbedingten Entwicklungsstadien wirken. Hinzu kommt, dass es auch innerhalb der so genannten Generation @ immer diejenigen geben wird, die sich mit Computer- und Videospielen überhaupt nicht auskennen. Nichtsdestotrotz gehe ich davon aus, dass der Aufklärungsbedarf in Zukunft geringer sein wird, weil die mit Computer- und Videospielen aufgewachsene Generation ein gewisses Grundwissen über das Medium bereits mitbringt.

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