Autor:  Nick Josten 16.11.2011, letztes Update: 11.10.2021
Wertung: 8.2

The Elder Scrolls 5: Skyrim – Im Test: Open-Map RPG mit keltischem Flair auf der PS3


Schon von vielen Kollegen wurde es als das Spiel des Jahres gekrönt und von Fans des Franchise sehnlichst erwartet: Der fünfte Teil von The Elder Scrolls, Skyrim, ist auch in unsere Hände gefallen, damit wir euch ein ausführliches Review auf der PlayStation 3 abliefern können.

Im fünften Teil des Elder-Scrolls-Epos verschlägt es euch nach Himmelsrand (engl. Skyrim; jeder Ort wurde in der deutschen Version übersetzt). Himmelsrand ist die idyllische, aber kalte Heimat der Nords. Den Einstieg findet ihr in der Ego-Perspektive. Ihr findet euch als Gefangener auf einer Kutsche wieder, auf dem Weg zu eurer Hinrichtung. Das Schicksal ist jedoch gnädig. In dem Moment, als ihr zur Enthauptung aufgerufen werdet, taucht ein mächtiger Drache über der Stadt Helgen auf und stürzt alles in völliges Chaos.

Qual der Wahl

Schreiende Menschen, brennende Türme und unbändige Hektik zwingen euch, schnell eine Entscheidung zu treffen: da ist ein Mitgefangener, Anhänger einer Rebellion und ein kaiserlicher Soldat, wem folgt ihr aus der Stadt hinaus? Schon an dieser Stelle gebt ihr eurer Reise eine erste Richtung vor.

In Himmelsrand ist ein Bürgerkrieg entbrannt. Die Sturmmäntel haben eine Revolution gegen das Kaiserreich gestartet und das ganze Land ist gespalten. Es ist nicht leicht zu differenzieren, welche Seite im Recht ist, trotzdem obliegt dem Spieler diese Aufgabe. Eure anfängliche Wahl, mit einem Sturmmantel oder einem Kaiserlichen aus dem brennenden Helgen zu fliehen, zieht ein Angebot nach sich, sich der entsprechenden Gruppierung anzuschließen. Wer ihr in dem Fall seid? Nun, auch das entscheidet sich am Anfang und wird schön in die Handlung eingeflochten. Als eine Wache euch nach dem Namen fragt, findet ihr euch im Charaktereditor wieder. Die Optionen darin sind vielfältig. Ich erschuf mir anfangs einen stämmigen Ork von dunkler Farbe, nannte ihn mangels Fantasie „Bolle“ und war nun bereit für mein Abenteuer.

Wie in Mittelerde oder Schottland

Nach der Flucht steht recht schnell eine atemberaubende Spielwelt im Vordergrund. Wir blicken schon bald in endlose Weiten eines nordisch angehauchten Landes mit weiten Tälern und hohen Bergen, das einem Schottland aus Bilderbüchern, oder Arealen aus dem Herrn der Ringe ähnelt. Wenn wir uns zu Fuß oder mit dem Pferd durch Himmelsrand bewegen, kann ich mich kaum an allem satt sehen: diese herrlichen Hügel und Gebirge, Burgen und verborgene Höhlen, prächtige Städte und selbst Kleinigkeiten wie ein paar durch die Luft tänzelnde Schmetterlinge spannen uns sofort in dieses keltisch anmutende Wunderland ein. Bethesda untermalt dies zudem in gewohnt pompöser Manier mit stolzem Chorgesang. Ein herrliches Gefühl, keine Übertreibung!

Soziale Kontakte

Ebenso dynamisch ist die Gesellschaft von Himmelsrand, die nicht nur oberflächlich mit euch und der Umgebung interagiert. Ein Beispiel gefällig? – Je nach Rasse reagieren die Bewohner Himmelsrands anders auf euch. Da dort meist Nords leben, wird mein Ork-Krieger Bolle öfter von Wirten in der Schänke oder der Wache vor dem Stadttor erinnert, bloß keinen Ärger zu machen. Seid ihr generell eine nicht-menschliche Rasse, sprechen euch die Leute darauf an, seid ihr ein Nord, werdet ihr viel weniger als ein Fremdling behandelt.

Es gibt in Skyrim, wie schon in den übrigen Spielen der Elder-Scrolls-Saga, eine Menge Stellschrauben, die euren Charakter beeinflussen. Eure Taten bringen euch nicht nur Titel wie ehrenhafter Bürger oder Meuchelmörder ein. Diese Bezeichnungen ziehen Reaktionen nach sich, selbst wenn diese subtil oder vielleicht nur latent spürbar werden. Es gibt diverse Gilden, denen ihr euch anschließen, und von denen ihr lernen könnt. Wiederum hat die Erfahrung mit selbigen Einfluss auf den Umgang mit den NPCs. Ihr habt sehr viele Optionen freistehen: Beteiligt ihr euch zum Beispiel am politischen Disput und kämpft für oder gegen das Kaiserreich? Oder haltet ihr euch komplett heraus? Gesellt ihr euch zu den ehrenhaften Gefährten von Weißlauf und säubert das Land von Banditen oder schließt ihr euch einer Diebesgilde an? Oder der Magiergilde? Helft ihr religiösen Fanatikern oder bekämpft ihr diese? Oder lasst ihr euch sogar auf die Dunkle Bruderschaft ein und werdet zum kaltblütigen Assassinen? Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Genauso könnt ihr stets aus eigenem Ermessen heraus entscheiden, ob ihr euren Mitmenschen helft oder nicht, denn wer lügt euch ins Gesicht und spielt am Ende nur das Opfer?

Oft werdet ihr angesprochen, bekommt Tuscheleien über merkwürdige Vorkommnisse mit oder lest in einem Buch über einen Schatz, und weitere Quests offenbaren sich. Ihr lauft zwielichtigen Gestalten auf der Straße über den Weg und manchmal hat es sogar ein Bandenboss auf euren Kopf abgesehen. Das wäre eine Schattenseite des ehrbaren Lebens, wohingegen andere Leute euch mit Ehrfurcht begegnen wegen eures hohen Ansehens. Himmelsrand ist in Provinzen eingeteilt, die von Jarlen verwaltet werden. In jeder davon könnt ihr euch niederlassen und einer Gilde beitreten, oder einfach als Gesetzloser durch die Lande ziehen. Im Verlauf des Spiels erhaltet ihr zudem immer mal die Möglichkeit, einen Begleiter für eure Reise anzuwerben. Söldner tun dies für Geld, mit anderen freundet man sich an. Die Hilfe von jenen geschieht dann gratis.  Mein Bolle beispielsweise hat für den Jarl von Weißlauf viele Dienste geleistet und wurde zum Tharne ernannt. Er muss fortan bei kleineren Verbrechen in Weißlauf nicht direkt ins Gefängnis und bekommt außerdem eine Kriegerin zur Seite gestellt.

Keine Klassen

Ihr entscheidet selbst, in welche Richtung ihr euren Charakter entwickelt. Jeder könnte Alles. Krieger Bolle zum Beispiel ist ein Hau-Drauf: Er beherrscht zweihändige Waffen und schwere Rüstungen sehr gut, hat dafür Defizite im Fernkampf oder Schleichen. Manche setzen auf die „Schurkentaktik“ mit Gift und schnellen Dolchen, andere sind Magier mit entsprechender Ausrüstung, wieder andere sogar Beschwörer. Darüber hinaus können Fertigkeiten wie das Knacken von Schlössern, das Schmieden eigener Waffen oder der Umgang mit der Alchemie trainiert und verbessert werden. Ihr könnt ein Alleskönner werden, oder klassicher Stereotyp. Lediglich die Wahl eurer Rasse bestimmt Attribute wie Kraft und Schnelligkeit geringfügig; außerdem hat jede Rasse eine eigene Spezialfähigkeit oder eine besondere Resistenz.

Die Geschichte von Elder Scrolls

Fans der Reihe werden überall kleinen Winks aus vergangenen Teilen begegnen. Über Bücher und Erzählungen, die überall gefunden werden können, wird eine Menge Stoff transportiert und somit ist Skyrim nahezu perfekt in die ganze Welt von Elder Scrolls eingebettet. Ereignisse der Vorgänger werden erwähnt und in Ladebildschirmen zusätzliche Sachverhalte der Welt erklärt.

Dungeonmaster, Schatzsucher, stärkster Krieger der Welt

Skyrim enthält über fünfzig Dungeons, darunter Tempel, Grabmäler, Trollhöhlen oder Banditenverstecke. Abschnitte darin ähneln sich aber oft sehr stark. Auf die Dungeons stoßt ihr entweder per Zufall, oder eure Gilde bzw. derzeitiger Arbeitgeber schickt euch dorthin. Bereits „entdeckte“ Orte, ob Dungeon oder Stadt, können per Schnellreise direkt angesteuert werden, selbst wenn bekanntlich der mehr vom Leben hat, der zu Fuße geht. Ihr könnt euch im Rollenspiel erneut der Jagd nach den daedrischen Artefakten widmen. Genauso könnt ihr euch als Kopfgeldjäger verdingen oder besondere Schätze suchen, um diese möglichst teuer im „richtigen“ Laden abzusetzen (gestohlene Ware findet den besten Abnehmer in einem Hehler).

Während ich bislang ausschließlich positive Anmerkungen über den Umfang des Spiels gemacht habe, gibt es nun das erste Mal Punkteabzug: Einerseits ist die Gegnervielfalt überschaubar; Banditen und dergleichen begegnen euch viel zu oft. Andererseits ist die KI der Computergegner meist unausgereift. Wenn ihr als „Adept“ (mittlerer Schwierigkeitsgrad) spielt, seid ihr nach einigen Quests schnell mächtiger als die meisten eurer Widersacher. Feinde passen sich von ihrer Stärke nicht an eure an, sodass Quests, die an früh begehbaren Orten stattfinden, in zwei bis drei Minuten durch sind, wenn ihr diese erst später macht. Die Kämpfe machen Spaß, aber es fehlt oft an der nötigen Präzision. Taktisch wäre sicherlich mehr drin gewesen, denn obwohl es zahlreiche Kräfte und Zaubersprüche gibt, funktioniert die Hau-Drauf-Methode wie die meines Orks Bolle bei fast jedem Gegner genauso gut.

Hauch von Rahmenhandlung

Der Angriff des Drachen auf Helgen war kein Zufall, denn ihr seid ein „Drachenblut“ und könnt die Mächte der Drachen erlernen. Im Laufe des Spiels könnt ihr einiges über die Kräfte und eure eigene, ein wenig zurecht geschnittene Geschichte erfahren. Bethesda lässt so eine kleine Rahmenhandlung zu, die aber keine Freiheiten raubt, sondern nur ein bisschen den Weg weist – vielleicht, wenn man gerade nicht weiß, was man machen soll. Diese „Story“ kann man, wenn man möchte, gänzlich ignorieren, selbst wenn man dann auf allerhand Kräfte verzichtet.

Grafische Defizite und mangelhafte Logik

Leider, leider wird dieses bisher so schön dargestellte Rollenspiel durch unnötige Bugs ein gutes Stück herunter gezogen. Schön ist beinahe alles anzusehen, wenn man von den steinernen Minen der Charaktere bei Dialogen absieht. Auf der PlayStation 3 ruckelt es indes manchmal, dass sich mentale Balken biegen. Wenn ihr lange am Stück rennt oder im Kampf eine Menge gleichzeitig geschieht, kommt die Konsole irgendwann nicht mehr so recht mit. PC-Gamer werden weitaus weniger Probleme damit haben, auf der Xbox 360 soll es oft ähnlich zäh werden, haben wir uns sagen lassen. Das passiert zum Glück nicht die ganze Zeit über, macht aber ein paar schöne Momente ordentlich kaputt.

Weiterhin muss die bisher als so dynamisch beschriebene Himmelsrand-Gesellschaft kritisiert werden: Bei Gesprächen unterbrechen sich die NPCs manchmal grundlos oder erzählen viel zu bereitwillig ihre Lebensgeschichte. Sprecht ihr Personen an, wählt ihr unter verschiedenen Sätzen denjenigen aus, von dem ihr glaubt, dass er das Gespräch am besten eröffnet. Einen Mann in einer Taverne könnt ihr zum Beispiel einleitend Folgendes fragen: „Ihr sagt, man plant eine Verschwörung gegen Euch?“ Tatsächlich aber hat niemand Ähnliches auch nur angedeutet. Sucht ihr in Wirtshäusern nach Arbeit, so wird euch immer die gleiche Geschichte von ein paar Wachen aufgetischt, die einen Befehl im Gasthaus „liegen gelassen“ haben. Es wird „immer“ ein Kopfgeld auf euch ausgesetzt, wenn ihr in einem „leeren“ Haus im Keller einen Apfel geklaut habt, dafür kommt ihr ungeschoren davon, wenn ihr anderen Schilde und Schwerter vor der Nase wegstehlt. Oft könnt ihr über derlei Logikfehler schmunzeln, doch hätte man sie vermeiden können.

Fazit

Nach so einem langen Testbericht gibt es immer noch unheimlich viel über The Elder Scrolls V: Skyrim zu erzählen, denn dieses Spiel ist so facettenreich und atmosphärisch, so fantasievoll und doch so greifbar und real, dass man es kaum ins Laufwerk gelegt hat, und beim nächsten Mal, wenn man aus dem Fenster sieht, erschrocken feststellt, dass es schon dunkel ist.

Erneut entführt uns Bethesda in sein Epos und Skyrim ist ein durchaus würdiger Nachfolger zu Oblivion. Technische Fehler, gerade in Sachen Grafik, die uns hier und dort begegnen, trüben das Bild des „perfekten Spiels“, sind aber für Hardcorefans definitiv zu verkraften. Nicht ganz zu Unrecht betiteln Kollegen Skyrim als das „Spiel des Jahres“. In diesem Genre ist es sicherlich ein ernsthafter Vertreter auf diesen Titel.

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