Autor:  16.11.2011, letztes Update: 12.10.2021
Wertung: 7.8

Test: RAGE auf der PlayStation 3

Rage - Screenshot
Rage - Screenshot

Gut eine Woche ist es her, als ich RAGE zur Seite gelegt habe. Ich musste meine Gedanken ein wenig sortieren, um nun ein Review des First-Person-Games auf der PS3 anzufertigen. Warum dies nicht so einfach war, möchte ich im Testbericht erläutern.

Eigentlich wollten wir ja ein Video-Feature über RAGE anfertigen, haben wir doch immerhin schon Anfang Oktober eine Capture-Lösung für den iMac in der Redaktion bestellt, die von Blackmagic im November ausgeliefert werden sollte. Fakt ist aber, dass das Gerät leider immer noch nicht zu haben ist. Wir harren der Dinge, und müssen unsere Kreativität noch ein wenig zügeln. Stattdessen gibt es nun dann doch wieder ein klassisches Review zu „lesen“.

Erster Kontakt 2010

Die ersten Augenblicke mit dem Shooter Rage habe ich persönlich schon weit vor der Veröffentlichung des Spiels erlebt. Neben den Meldungen, die ich regelmäßig verfolgte, bin ich im Besitz der Version von RAGE auf dem iPhone und iPad. Dort hatte nämlich schon letztes Jahr id Software einen Rails-Shooter veröffentlicht, der einen kleinen Ausschnitt aus der Welt von RAGE zeigt. Nachdem ich den First-Person-Shooter nun gespielt habe, weiß ich nicht nur, dass die TV-Show im Shooter ebenfalls vorkommt, sondern, dass man tatsächlich auf dem iPhone, anders als in dem „Minispiel“ im fertigen PS3-Shooter, Levelabschnitte aus dem „großen“ Game präsentiert hatte, noch ehe dieses zu haben war. Dieser kleine Appetithappen war durchaus ein interessantes Erlebnis, zumal optisch wirklich hochwertig auf den iDevices umgesetzt. Wenn die Konsolenfassung dieses Ambiente bieten wird, dachte ich damals schon, dann kann so viel nicht schief gehen.

Pro und Contra Bekanntes

In der Tat ist das Setting für Freunde von Sci-Fi und Endzeitstimmung richtig schick inszeniert. Wer Fallout 3 oder Borderlands kennt, der wird sich in RAGE heimisch fühlen. Diese Einschätzung ist sogleich Fluch und Segen. Die Atmosphäre in RAGE ist gut, doch man darf eben nicht vergessen, dass wir es „nur“ mit einem Shooter zu tun haben. Ein Rollenspiel oder ein Action-Adventure (Open-World-Game) hätten genretypisch noch mehr Optionen geboten, um in die Story einzutauchen. Für einen Shooter schlägt sich RAGE indes prima. Während manche Leute also froh sein werden, dass man ihnen bekannte Kost vorsetzt, werden andere kritteln, dass es ein wenig einfallslos von id Software war, ein Spiel zu produzieren, das so viele Anknüpfungspunkte an bereits veröffentlichte Games bietet.

Warten auf Wellspring

Einer der ersten Orte, den wir in RAGE besichtigen, ist das „Städtchen“ Wellspring. Bis es allerdings soweit ist, müssen wir auf der PlayStation 3 eine gefühlte Ewigkeit ausharren, wenn das Spiel auf der Festplatte installiert wird. Das Warten lohnt sich unter dem Strich, wenngleich die Konsole trotzdem an ihre Grenzen stößt.

Nachdem wir aus einer Art Cryo-Kammer ausgebrochen sind, weil deren Funktion versagte und wir nicht anders konnten als aufzutauen, stapfen wir in die Freiheit. Jahre nachdem wir eingefroren wurden, wurde die Welt vom Asteroiden Apophis getroffen und hat sich in ein Ödland verwandelt. Eigentlich ist das Experiment mit mir und anderen Freiwilligen seinerzeit genau deswegen geschehen, um den Einschlag zu überleben, doch aus meiner Versuchsgruppe bin ich der einzige, der das tat.

RAGE-Technik

Es folgt der erste Aha-Moment, in doppelter Hinsicht. Entwickler id Software hat mit der id-Tech-Engine eine prima Basis für schöne Bilder bei toller Framerate geschaffen. Obwohl es in einem Interview von John Carmack hieß, dass man seine Spiele mit Blick auf die Konsolen entwerfen würde, scheint es trotzdem, dass man die Konsole an seine Grenzen geführt hat. Vielleicht sogar absichtlich, um die Konsolenhersteller zu drängen, eine neue Hardwaregeneration zu veröffentlichen? Diese Frage können wir schlecht beantworten. Fakt ist aber, dass man bei RAGE ein wunderbares Gefühl von Geschwindigkeit bekommt – auch und vor allem in den Fahrzeugen -, eine prima Weitsicht spendiert noch dazu, aber leider auf Sonys Konsole immer wieder damit leben muss, dass bei schnellen Bewegungen die Texturen nachladen. Das klappt beispielsweise bei Naughty Dog und Uncharted besser. Da hat man nicht das Gefühl, dass die Umgebung erst immer einen Augenblick benötigt, um „klar“ angezeigt zu werden. Dies ist mithin das größte Ärgernis in einem ansonsten tollen Produkt.

Wir kommen nicht besonders weit, da erfolgt der erste Angriff auf uns, und die Begegnung mit Dan Hagar, der uns vor den Fieslingen rettet und uns dem Szenario vorstellt. Während im Verlauf viele Dinge recht ordentlich ablaufen, hat doch gerade am Anfang nach dem ersten Schreck, das Spiel einen verpatzten Spannungsbogen für uns parat. Wer bitteschön hat Hagar gesagt, er soll uns vor den Banditen aus dem Ödland warnen? Man bekommt latent das Gefühl, dass beim Vorbeifahren an dem Fahrzeug derselben etwas „passieren“ könnte. Doch dann ist einerseits der Weg bis in sein Lager erschreckend kurz, reicht gerade für einen kargen Monolog. Andererseits bleibt ein Angriff der Banditen aus und wir wundern uns, warum Hagar unnötig ein Fass deswegen aufgemacht hat. Diese Einführung hätte Bethesda sich getrost sparen können.

Alles im Griff

Recht hatte John Carmack übrigens trotzdem, wenn er sagt, dass id Software seine Games in erster Linie für die Konsole entwickelt. Wer sich über 2Ks Duke Nukem Forever geärgert hat, weil die Steuerung auf der Konsole total unangepasst und PC-lastig wirkte, der darf sich sicher sein, dass man in RAGE alles im Griff hat. Es werden noch lange nicht alle Tasten vom Gamepad benötigt und trotzdem können wir die Spielfigur durch das Endzeit-Szenario bewegen, ohne lange darüber nachdenken zu müssen. Das haben selbst Hack-and-Slay-Titel wie Darksiders nicht immer hinbekommen, und die User so manchmal unnötig verärgert. RAGE ist in Puncto Bedienbarkeit also eine wahre Freude.

Es ist möglich sich hinter Objekten zu verstecken. Man läuft leider nicht einfach an sie heran, sondern hockt sich mittels Tastendruck dahinter. Es gibt einige Shooter, die dem Spieler in dieser Angelegenheit besser entgegenkommen. Es gibt zudem Waffen, bei denen man einen Zoom einsetzen kann, und Anfänger werden zwar gefordert, müssen aber nicht unbedingt allzu oft Lehrgeld zahlen. Wer sich für den einfachen Schwierigkeitsgrad entscheidet, der steht, wenn er nicht aufpasst durchaus mal am Scheideweg zwischen Leben und Tod. Doch man kann die Story selbst als Anfänger spielen „ohne“ mehr als einmal zu sterben. Einmal wird man im Versteck von Banditen allerdings absichtlich in einen Hinterhalt gelockt und „stirbt“, um die automatische Wiederbelebung in Form eine Minispiels vorgestellt zu bekommen. Je nachdem wie gut man sich dabei anstellt, wird einem mehr oder weniger Lebensenergie zurückgegeben. Ein bisschen so als wäre man im Boxring zu Boden gegangen und müsste sich vom Niederschlag erholen.

Warten auf Wellspring II

Ein gut gemeinter Ratschlag von mir ist, sich durchaus ein wenig in der freien Wildbahn auszutoben. Wenn man manchmal kleinere Gefälligkeiten für Bürger von diversen Städten erledigt, bspw. irgendwelche Kräuter einzusammeln, dann ist man oft nur für Augenblicke im Buggy unterwegs und steht schon wieder vor den Toren der Stadt, die einen grad beherbergt. Will man dort herein, wird wieder nachgeladen. Wir sehen dann die üblichen Ladebildschirme mit Tipps und Tricks zum Spiel, an denen man sich irgendwann satt gesehen hat. Wenn man dann anderthalb Minuten einen benachbarten Sumpf aufgesucht hat, um eine Pflanze zu pflücken und dann aber schon wieder 15, 20 Sekunden warten muss, steht das in diesen Situationen leider in keinem Verhältnis.

Schräge Vögel

Entwickler id Software hat einige interessante Figuren ins Spiel integriert, die allesamt mehr oder minder irgendwelchen Stereotypen entsprechen. Ein wenig muss man allerdings das Gefühl haben, dass die verödete Zukunft der Brutplatz für ein gesellschaftliches Szenario war, das wir schon aus dem „Wilden Westen“ kennen. Das äußert sich durchaus auch in der Bekleidung mancher Figuren. Bethesda hat sich – muss man aus Sicht deutscher Käufer – durchaus Mühe gemacht. Immerhin wurde die komplette Sprachausgabe synchronisiert, zum Teil von recht bekannten Leuten, wie Schauspieler Ralf Richter. Persönlich bin ich der Überzeugung, dass man bei der Wahl der Synchronsprecher nicht immer ein glückliches Händchen bewies. Manche Stimmen wirken zu jugendlich als dass sie gewisse Figuren widerspiegeln.

Es fehlt aber leider in diesem Punkt die letzte Konsequenz in der Umsetzung. Einige der Figuren, die uns begegnen, böten eigentlich noch viel Spielraum, um irgendwelche Verschwörungen anzuzetteln, die Spielfigur auf den dunklen Pfad der Tugend zu führen, und andere Dinge mehr. Doch die Zahl der NPCs, mit denen man „richtig“ interagieren kann ist begrenzt. Es spricht beinahe jeder davon mit uns, der Nutzwert der Gespräche tendiert aber gen Null. Viele Bewohner des Ödlands sind einfache Mitläufer und selbst einige, die einen Gefallen von uns erwarten, bieten nur statische Sidequests, die zur Erfüllung des Spielziels nicht weiter von Belang sind. Es hätte sicherlich nicht geschadet, wenn man zum eigentlichen Ausgang der Handlung einen Kontrapunkt gesetzt hätte. Das geschieht leider nicht, und so wirkt am Ende das Spielgeschehen augenscheinlich linear.

Fazit

Ich bin wenig auf die Geschichte von RAGE eingegangen. Es handelt sich um einen stereotypen Vortrag. Wir schließen uns einer Widerstandsbewegung an, und lehnen uns damit gegen das Etablissement auf. Am Ende sorgen wir dafür, dass der Widerstand genügend Leute mobilisieren kann, indem wir einen Mechanismus im Kern der Regierungszentrale in Gang setzen. Es gibt in RAGE durchaus ein paar Dinge, die mich stören, einige von denen habe ich im Review noch gar nicht angesprochen.

Grundsätzlich habe ich aber beim Spielen das Gefühl bekommen, dass ich einen actiongeladenen Shooter präsentiert bekam, der mich lange an die Konsole fesseln konnte, und in dem es trotz der Linearität des Spielverlaufs Einiges zu entdecken gab. Bethesda und id Software hätten dem Titel noch irgendeine Wendung geben können – das hat man verpasst. Alles ist relativ vorhersehbar. Schade, dass man aus einem guten Spiel nicht noch ein sehr gutes Spiel gemacht hat. Trotzdem gehört RAGE mit zu den besten Spielen, die ich in 2011 gespielt habe.

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