Im Vorfeld war viel zu lesen über Sleeping Dogs, mit dem uns Square Enix diesen Sommer versüßt hat. Es sei ein „GTA-Verschnitt aus Asien!“, „Besser als GTA!“ –und was nicht alles zu hören war. Auch wir waren gespannt, wie sich der Titel letztlich präsentiert und womit genau uns Square Enix hier beschenkt. Bei uns trudelte Sleeping Dogs schon überpünktlich am 16. August ein. Wie viel Spaß das Spiel macht, erfahrt ihr in unserem Test.
Ihr stoßt zu Beginn gleich mitten rein in die Weltstadt Hongkong. Euer Hauptprotagonist ist Wei Shen, ein durchtrainierter, im Ghetto aufgewachsener junger Mann, der gerade aus den USA kommt. Dort hat er versucht, sein Glück zu finden, wurde aber nicht fündig.
Er ist Undercover-Agent. Als solcher werdet ihr bei einem Drogendeal, bei dem ihr versucht, den Dealer zu stellen, nicht wahrgenommen und verhaftet. Im Gefängnis sollt ihr den Kontakt zu der größten Triaden-Organisation in Hongkong herstellen. Ihr ebnet euch damit den Weg in ein Abenteuer voller Gewalt, Pflichterfüllung, Rachegedanken und Verführung des Syndikates. Denn auch wenn Wei Shen Gesetzeshüter ist, kann er nicht vergessen, was das Syndikat ihm und seiner Schwester angetan hat. Die Voraussetzungen für eine Knaller-Game sind also gegeben.
Doch der Einstieg ins Spiel fällt schwer. Es dauert schier ewig, bis man ein wenig tiefer in die Geschichte eintaucht. Zwar wird man so langsam an alles herangeführt, allerdings benötigt man ein klein wenig Durchhaltevermögen, den weniger actionreichen Teil mitzumachen, in dem noch keinerlei Spannung aufkommt.
Lohnt es sich? Wir sagen ja! Denn irgendwann öffnet sich euch die Welt des Verbrechens in vollem Glanz. Ihr habt vier Hauptfälle über das ganze Spiel verteilt zu bearbeiten. Die haben nur leider keinerlei Einfluss auf die Story. Sie sollen dem Spieler aber immer wieder bewusst machen, dass man auf der Seite der Polizei steht und seine Pflichten nicht vernachlässigen darf.
Ebenfalls habt ihr viele Nebenmissionen zur Auswahl, in denen ihr verdeckt als Undercover-Cop im Auftrag des Syndikates arbeitet. Diese waren für uns die wahre Story im Spiel. Denn hier könnt ihr erleben, wie hin- und hergerissen Wei Shen sein wird, da es um seine Rache am Syndikat geht. Zudem könnt ihr noch kleine Gefälligkeiten erledigen und etwa Passanten helfen könnt.
Am Anfang werdet ihr langsam aber sicher in sämtliche Situationen eingeführt, so auch in die Kunst des Kämpfens. Anders als in genreähnlichen Spielen, spielen Schusswaffen in Sleeping Dogs nämlich nur eine untergeordnete Rolle. Das sorgt für viel Abwechslung und Spaß, zumindest zu Beginn. Auf Dauer werdet ihr eine gewisse Routine entwickeln, warten bis andere Gegner angreifen, um diese abzublocken und zu kontern. Das wird später schwieriger, da manche Gegner Messer oder Schusswaffen besitzen, jedoch können auch diese Angriffe mit ein bisschen Können gekontert werden. Letzten Endes werden Kämpfe zu einer einzigen Monotonie. Die einzige Herausforderung besteht dann darin zu überleben. Zunächst werdet ihr allerdings noch einige Schläge und Attacken erlernen. Ihr sammelt Statuen ein und gebt sie eurem dem Meister eures Karateclubs aus der Jugend zurück. Dieser zeigt euch dann neue Aktionen.
Solltet ihr aber doch in den Genuss einer Wumme kommen, könnt ihr euch sicher sein, dass der Part sehr actionreich wird. Auch bei Verfolgungsjagden werdet ihr in den Nebenmissionen und Gefälligkeiten häufiger zu einer Pistole oder einem Maschinengewehr greifen.
Ansonsten bewegt sich Wei Shen sehr realistisch: Er ist schnell, was er als Polizist einfach benötigt. Er ist stark, was er in den Kämpfen sein muss. Wei Shen ist aber außerdem ein freundlicher, authentischer Charakter, mit dem sich sicher schnell viele identifizieren können. Selbst, wenn ihr eure Gegner zu Fuß verfolgt, läuft das alles sehr realistisch ab. Ihr müsst vor Hindernissen z. B. eine Taste drücken, um mit gutem Timing darüber zu kommen. Ansonsten vergrößert sich der Abstand zum Verbrecher. Die einzige Ungereimtheit ist die Tatsache, dass Wei über eine gigantische Ausdauer verfügen muss, denn sprinten könnt ihr mit ihm ewig. Das ist sehr unrealistisch.
Autofahren in Hongkong will gelernt sein. Das wurde sehr arcadelastig gestaltet und stellt euch zu Anfang vielleicht vor ein paar Probleme. Zudem gilt Linksverkehr. Die Lenkung ist leider sehr schwammig und die Kameraführung dabei nicht immer optimal.
Einzelne Missionen wurden abwechslungsreich gestaltet, wiederholen sich jedoch und werden dann schnell eintönig. So ist man die ersten Male fasziniert von Verfolgungsjagden durch Hongkong. Oftmals müsst ihr dafür von Auto zu Auto springen und euch so des anderen Vehikels bemächtigen. Es kommt die ersten Male aufs Timing an und es kommt Spannung auf. Werdet ihr verfolgt, so könnt ihr in Zeitlupe auf eure Verfolger schießen. Zerschießt ihr die Reifen des Verfolgers verliert dieser die Kontrolle.
Insgesamt war es das aber schon. Sleeping Dogs bietet leider keine neuen Ideen und Innovationen. Ebenfalls ist der Schwierigkeitsgrad der einzelnen Missionen sehr niedrig.
Je länger ihr das Spiel spielt, desto mehr werdet ihr einen Zwiespalt erleben. Ihr könnt irgendwann nicht mehr mit Gewissheit sagen, ob euch die Undercover-Arbeit der Polizei mit Stolz und Freude erfüllt, oder ob ihr euch nicht doch im Syndikat wohler fühlt. Denn in der Sun on Yee behandelt man Euch wie ein vollwertiges Familienmitglied, ihr lernt viele Freunde, Weggefährten und nette Leute kennen. Dieses Gefühl hinterlässt einen bleibenden Eindruck.
Während eurer Missionen könnt ihr Erfahrungspunkte für die jeweilige Fraktion sammeln, also für die Polizei oder für das Syndikat. Um Punkte für die Polizei zu bekommen, müsst ihr euch natürlich strikt an das Gesetz halten. Das Töten Unschuldiger oder das Ramponieren von Fahrzeugen oder Stadteigentum führt zu EP-Punkteabzug für die Polizei, und ihr werdet weniger schnell im Level aufsteigen. Das wiederum erhöht die Erfahrungspunkte bei der Sun on Yee, genau wie das gekonnte Verprügeln oder Töten von 18k-Mitgliedern, der verfeindeten Partei in Hongkong.
Diese EPs sind wichtig, da ihr damit im Level aufsteigt und mit jedem höheren Level neue Fähigkeiten freischaltet. Für den Kampf könnt ihr neue Bewegungen oder Aktionen freispielen, Gegner besser entwaffnen, und anderes mehr. Auf der Seite der Polizei könnt ihr hingegen Autos mit einem Spezialwerkzeug knacken, ohne Alarm auszulösen. Dazu muss man sagen, dass die Skills unterm Strich nicht viel wert sind, da man auch gut ohne sie auskommen kann.
Dazu könnt ihr noch Respektpunkte sammeln, die ihr für das Erledigen von Aufträgen bekommt. Zusätzlich könnt ihr z. B. an Gesundheitsschreinen beten, um eure Gesamtgesundheit zu erweitern oder euch massieren lassen, um schneller Respekt oder mehr Erfahrungspunkte zu erlangen. Ebenfalls könnt ihr durch bloßes Essen oder das Trinken von Tees noch mehr kurzzeitige Aufwertungen erfahren oder eure Gesundheit wieder auffüllen.
New York alias Liberty City hat vor ein paar Jahren in GTA schon einen tollen Eindruck hinterlassen. Doch Hongkong in Sleeping Dogs übertrifft dies in Sachen Farbenvielfalt und Leben bei Weitem. Die NPCs auf den Straßen unterhalten sich gut. Mit etwas Glück kann man hin und wieder ganz witzige Konversationen aufschnappen. Die Ausgestaltung Hongkongs trifft die meisten Vorstellungen. Die Nacht wird durch tolle Neon-Schriftzüge an den Häusern erhellt. Es gibt genügend enge Gassen und Hinterhöfe, über die man später immer wieder mal vor der Polizei fliehen muss, oder Abkürzungen nehmen kann. Auch chinesische Kultur wie Tempel kann man immer wieder abseits der Straßen bestaunen.
Zwar wurden auch viele Geschäfte und Häuser nett dargestellt, aber nur die wenigsten sind begehbar. Das ist schade, denn Missionen, in denen ihr in Häuser einbrechen müsst, bringen viel Spaß.
Untermalt wird der Eindruck der chinesischen Sonderverwaltungszone von den Radiosendern im Auto. Von chinesischem Pop bis hin zu den etwas rockigeren und härteren Klängen des Westens ist alles vertreten. Man hat erkannt, dass die Atmosphäre eines Landes, einer Region oder einer Stadt durch authentische Musik super rüberkommt.
Die Karte, auf der ihr euch natürlich frei bewegen könnt, sieht auf den ersten Blick groß aus mit seinen insgesamt vier Bezirken und reichlich Parks und Grünfläche in der Mitte. Auch beim Bewegen von einem Ort zum anderen bekommt ihr das Gefühl, dass es wirklich viel zu entdecken gibt. Ein wenig wird das Gefühl aber künstlich erzeugt, weil ihr teils sehr kompliziert fahren müsst, um von A nach B zu kommen. Der erste Schein trügt also. Die Größe genügt den Erwartungen, bietet aber nichts Herausragendes.
Immerhin könnt ihr immer wieder Karaoke-Bars oder Stände am Markt besuchen und hier einkaufen, singen oder euch unterhalten. Die Idee Karaoke dabei etwas kniffliger zu gestalten ist nur bedingt gelungen, denn man hat den Dreh schnell raus. Sonst machen sich Freizeitaktivitäten sehr rar. Ihr habt noch die Möglichkeit an sehr einfachen Rennen teilzunehmen, oder an Kampfveranstaltungen, bei denen ihr in sechs Runden immer eine gewisse Anzahl an Gegnern besiegen müsst. Ansonsten gibt es nichts, das für Langzeitmotivation sorgt.
In Missionen müsst ihr immer mal wieder einen Safe knacken, Kameras hacken oder Wanzen platzieren, aber ihr könnt im Anschluss an die Story nur die erste beiden Aktionen immer mal wieder ausführen. So könnt ihr alle Safes, die in den vier Bezirken verteilt sind, suchen und knacken, um den Inhalt abzustauben. Oder ihr hackt die Kameras, um eine Belohnung zu bekommen oder um Drogendeals auffliegen zu lassen, aber auch das wird schnell langweilig.
Im Vergleich zum Klassenprimus GTA schneidet Sleeping Dogs nicht schlecht ab. Nach einer gewissen Einspielphase packt einen das Spiel, die Story wurde zudem sehr spannend inszeniert. Wei Shen hat mir besser gefallen und wirkt sympathischer als Nico Bellic aus Grand Theft Auto IV. In puncto Kartengröße oder Freizeitaktivitäten liegt aber GTA vorn. Auch der Wiederspielwert liegt in GTA wesentlich höher.
Hongkong wurde zwar gut umgesetzt und die Atmosphäre war toll, trotzdem hätte man da noch etwas mehr machen können. Die Karte war übersichtlich, aber der Schauplatz dennoch frisch und unverbraucht. Grafisch ist das Spiel eher im Mittelmaß anzusiedeln. Square Enix hat in diesem Genre seine ersten Schritte gewagt und das gar nicht mal schlecht. Für Genre-Liebhaber ein Muss! Aber auch sonst lohnt es sich einen Abstecher nach Hongkong zu machen.
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