Contrast ist ein Action-Adventure, das zum Start der PS4 auch auf dieser Konsole als Indie-Game zum digitalen Download angeboten wurde. PS-Plus-Kunden bekamen das Spiel sogar gratis. Heißt es zwar, einem geschenkten Gaul schaut man nicht ins Maul, muss ich im Test trotzdem mit Contrast (hart) ins Gericht gehen.
In Contrast geht es richtigerweise um den Kontrast zwischen Licht und Schatten. Prägendes Element ist ebenjenes Spiel von Dunkel und Hell. Die Hauptfigur, die der Spieler steuert, Dawn, kann sich von der farbigen 3D-Welt vor beleuchteten Wänden in einen Schatten verwandeln und in der Folge an den Kanten der übrigen Schatten entlang laufen und springen. Streng genommen hat Contrast nämlich zwei Protagonisten…
Denn Dawn ist nur die imaginäre Freundin der kleinen Didi, der Tochter einer Kabarett-Tänzerin im Amerika der 1920er Jahre. Während ihre Mutter kaum Zeit für sie findet, ist der Vater spurlos verschwunden. Mit Hilfe der imaginären Dawn versucht Didi die Geheimnisse ihrer Familie zu lüften. Wir selbst sprechen dabei nie, einzig Didi redet.
Während die Story im Hintergrund Potenzial „böte“, macht das Gameplay in meinen Augen vieles kaputt. Man wird das Gefühl nicht los, dass Compulsion Games ein unfertiges Spiel abgeliefert hat und sich vor allem mit der Technik übernommen. Denn zum Einsatz kommt die Unreal Engine 3, ein immenses Werkzeug, das der Entwickler so richtig gut nicht zu beherrschen scheint. Manche Figurenbewegung wirkt eher künstlich und abgehackt. Könnte man darüber hinwegsehen, fragt man sich, warum der Entwickler den Spieler an die Hand nimmt, ihm ständig sagt: Lauf, Forrest, lauf! Aber gleichzeitig in dem Moment, indem er loslaufen möchte, gleich wieder ein Stoppschild vorstellt.
Was ich in dieser Weise bildhaft umschrieben habe, beschreibt vor allem das Gameplay und leider auch die Erzählweise. Der Wechsel zwischen der bunten 3D und der zweifarbigen Schattenwelt wirkt oft abgehackt und funktioniert tatsächlich nur an genau dafür vorgesehenen Stellen. Das wird zur Geduldsprobe für viele Spieler. Man muss immer genau bis an den Rand gehen um zum Schatten werden zu können oder müsste auf einer Höhe in die Luft springen und dann zum Schatten werden, auf der es die Umgebung zulässt. Gleichzeitig wird man ganz automatisch wieder in die 3D-Welt „zurückgebeamt“, wenn man aus dem notwendigen Lichtkegel herausläuft. Letzteres kann man mit ein bisschen Übung gut hinbekommen, ersteres ist einfach nur nervig. Und auch im Schatten wirken die Bewegungen abgehackt.
Es gibt sowieso nur wenige Aktionen im Spiel – wir können laufen und springen und mit Dingen interagieren, oder leichtere Hindernisse zerstören. Die Objekte, mit denen wir das können, sind allerdings nur sehr wenige und auch vor ihnen müssen wir meist sehr genau zum Stehen kommen, weil sonst nicht angezeigt wird, dass wir mit dem Objekt etwas anfangen können und eventuell dran vorbeilaufen. Doch auch wenn wir mit den Objekten in Austausch treten wirkt das wieder…? Richtig, abgehackt. Beim einfachen Puzzle ein Scheinwerferlicht neu auszurichten, damit ein Schatten eines Musikers entsteht, läuft der Spieler erst einmal zum Scheinwerfer selbst, drückt den Interaktions-Button (Viereck) und sieht dann aus der Ego-Perspektive den Lichtstrahl. Mit dem Analog-Stick müssen wir den Kegel verschieben. Aber anstatt das man dem Spieler die Möglichkeit gibt, ein bisschen ins Spiel einzutauchen bewegt er für eine Sekunde den Analog-Stick, und weil der Kegel vermeintlich an der richtigen Stelle ist, wird sofort der Spielfluss wieder unterbrochen und eine Art Mini-Cutscene eingeblendet. An einer anderen Stelle müssen wir Papp-Aufsteller verschieben, die einen Schatten werfen. Obwohl man „glaubt“ und auch optisch das Gefühl hat man steht vor Papp-Figur 3, wird jedes Mal Figur 2 ausgewählt zum Interagieren, nur weil man vielleicht 2 Millimeter zu weit links stand, ohne es zu wissen.
In den 1990er Jahren, in manchen Abenteuerspielen, waren Hotspots und Computercharakter (NPC) dermaßen dämlich, dass sie, egal was man machte, einem immer mit derselben Antwort begegneten, ganz gleich, ob man mit ihnen schonmal in Kontakt gekommen war, eine Aufgabe bereits erfüllt hatte, usf. Genau dieses Phänomen gibt es in Contrast auch. Bevor ich an den erwähnten Scheinwerfer ging, musste ich vorher das Licht anknipsen. Ich lief also in der Bar herum und suchte den Schalter. Das Spiel wollte mich daran erinnern und es wurde ein Spruch auf dem Bildschirm ausgegeben, als ich in der Nähe des Hotspots war und gleichzeitig ertönte eine Stimme aus dem Off. Wenn man den Lichtschalter anknipst, muss man in der Folge die Scheinwerfer ausrichten. Einer der Scheinwerfer ist hinter der Stelle, an dem der Lichtschalter ist. Hat man ihn ausgerichtet, läuft man natürlich wieder am Lichtschalter vorbei… und richtig, wieder erscheint der Spruch auf dem Bildschirm und wieder die Stimme aus dem Off. Total nervig, vor allem dann, wenn das Erzählte schon nicht mehr zum Spielgeschehen passt.
A pro pos Computer-Charakter. Wir sehen von den Figuren, die die Geschichte erzählen immer nur die Schatten. Wir selbst müssen dann auch immer das tun, was Didi und vorgibt und also fühlt man sich nach einer Weile wie ein Bär, den man am Ring durch die Manege führt.
Versuchen wir das Ganze ein bisschen telegraphisch zu notieren: Lichtschalter an, STOP, Cutscene folgt, STOP, zum Scheinwerfer laufen, STOP, Interagieren-Button drücken, STOP, kurze Unterbrechung, STOP, Scheinwerfer ausrichten, STOP, CUTSCENE, STOP, zum anderen Scheinwerfer laufen am Lichtschalter vorbei, STOP, kurze Unterbrechung, STOP, mit anderem Scheinwerfer interagieren, STOP, Cuscene, … Es sind drei Scheinwerfer. Einer fällt unmittelbar aus, wir müssen ihn „reparieren“, was ebenfalls mit einem Knopfdruck und einer ungelenken Bewegung von Dawn erledigt ist. Dann müssen wir wieder den Button drücken, um den Scheinwerfer auszurichten und in dem Augenblick, da wir den Analog-Stick noch gar nicht richtig angefasst haben, spielt Contrast schon wieder die nächste Cutscene ab. All das hat für euch jetzt beim Lesen länger gedauert als im Spiel selbst. Denn binnen vielleicht 45 Sekunden sieht man sich dutzenden Unterbrechungen und Cutscenes gegenüber. Vergleichbar ist das, als ob man Nathan Drake in Uncharted alle fünf Schritte in seinen Aktionen unterbrechen würde. Da kommt einfach kein Spielfluss auf.
Wenn man auch nur irgendwie denken würde, der Entwickler hat es absichtlich gemacht, und man sollte sich wie in einer Art Stop-Motion-Film finden, dann muss ich sagen, hat man die Kunst zu weit getrieben und ich kann damit nichts anfangen.
Die Soundkulisse ist grundsätzlich für das Thema gemacht, wenngleich nicht durchgängig auch eine Musikkulisse vorhanden ist. Wenn die Jazz-Musik der 20er dudelt, ist sie ein sehr wichtiges, bereicherndes Element. Ist die Musik in manchen Spielabschnitten stumm, wirkt es leider direkt viel weniger atmosphärisch. Die Farbgebung der Spielumgebung passt ebenfalls, aber die Spielgrafik ist in meinen Augen nicht besonders Indie, weil man sich zu sehr an ein Spiel wie Alice: Madness Returns erinnert fühlt. Gerade den professionelleren Anspruch versucht Contrast aber zu wecken. Wer Contrast spielt und Indie-Games wie Don’t Starve oder Limbo kennt, der weiß, dass man Inhalt und Form durchaus passender zueinander gestalten kann. Contrast wirkt auf mich stattdessen eher wie ein Paket aus folgendem: eine interessante Story, gepaart mit einer Spielidee, die nicht neu ist, und der technischen Umsetzung mit viel zu umfangreichen Tools, die dann den Eindruck in jedem Moment zerstören, da sie nur zu 60, 70 oder 80% richtig angewendet wurden, aber nicht zu 100%.
Ich jedenfalls konnte zu keiner Zeit in das Spielgeschehen von Contrast eintauchen und finde die Spielidee nicht generisch. Anstatt dass der Entwickler Compulsion Games dann aber versucht wenigstens eine außergewöhnliche, neue Form für die Präsentation einer althergebrachten Idee zu verwenden, bekommen wir Technik von der Stange, die dem Ganzen leider überhaupt nicht gerecht wird.
Der abgehackte Spielfluss macht meiner Meinung nach jedes narrative Element zunichte. Aus Contrast hätte was werden können, ist es aber nicht! Dummerweise wird man mit dieser Wertung dem Aufwand, den der Entwickler getrieben hat, wohl ebenfalls nicht gerecht. Aber ich hätte sicher nicht knapp 15 Euro für dieses Indie-Game ausgegeben, sondern bin froh es als PS-Plus-Kunde gratis erhalten zu haben. Auf diese Weise bleibt mir wenigstens die Enttäuschung erspart zu viel Geld ausgegeben zu haben.
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