Bad Day L.A. im Test: American McGee, das Enfant terrible der Spielebranche, lädt zum erneuten Stelldichein in Bad Day L. A. Kann er an die alten, glanzvollen Tage eines Alice anknüpfen oder versinkt er erneut im Mittelmaß, wie zuletzt bei Scrapland?
Anthony schiebt seinen Einkaufswagen über den verstopften Freeway in Los Angeles und liefert sich heftige Schimpfduelle mit den zornigen Autofahrern. Plötzlich zerreißt das Dröhnen von nahenden Flugzeugturbinen den Chor aus hupenden und schimpfenden Menschen. Krachend geht das Flugzeug zu Boden und dem Wrack entströmt ein grüner Nebel, der nahe stehende Menschen sofort in angriffslustige Zombies verwandelt.
Nach einem actionreichen Intro und der gerade beschriebenen Einleitung in den ersten Leveln von Bad Day L. A., schlüpft Ihr in die Rolle des Obdachlosen Anthony. Einziges Ziel: Heil dem gerade erst beginnenden Chaos zu entkommen. Anthony mag die Menschen nicht, was er in seinen ständigen, im amerikanischen Großstadtslang synchronisierten Kommentaren kundtut. Damit Ihr wenigstens etwas versteht, könnt Ihr deutsche Untertitel einblenden. Kurioserweise fehlen diese in einigen der späteren Videos. Vermutlich gaben sich die Übersetzer der geballten Ladung an amerikanischen Kraftausdrücken geschlagen. Oder sie wollten einfach nur pünktlich Feierabend machen. Generell geht die Geräuschkulisse in Ordnung. Die Effekte sind gelungen, beeindrucken jedoch nicht. Gleiches gilt für die unaufdringliche Musik.
Grafisch setzen die Entwickler auf den Cartoonlook des in Deutschland eher unbekannten kalifornischen Künstlerpaares Kozyndan. Der passt aber bestens zum Spiel. Und ist, was die Rechenleistung betrifft, nicht sonderlich anspruchsvoll. Somit läuft Bad Day L. A. auf schwächeren Computern ohne größere Probleme. Leider versperren in engen Levels immer wieder Objekte die Sicht auf den Hauptcharakter. Das erschwert gerade in den Innenräumen die Orientierung teilweise erheblich.
Überhaupt lässt in den einzelnen Levelabschnitten die Übersicht zu wünschen übrig, da ein richtungsweisender Kompass fehlt. Immer wieder irrt Ihr auf der Suche nach dem nächsten Missionsziel planlos durch die Gegend. Ihr könnt zwar Passanten nach dem Weg fragen. Dies ist jedoch nur bedingt hilfreich. Denn der direkte Weg ist meistens versperrt. Ihr gelangt nur über Umwege zum Ziel. Neben dem eigentlichen Missionsziel gibt es immer wieder kleinere Nebenaufträge. Ihr müsst beispielsweise eine bestimmte Anzahl an Gegnern beseitigen, oder Kinder retten. Leider sind diese zusätzlichen Aufgaben nicht optional. Sie verhindern des Öfteren das Weiterkommen. Manchmal töten Eure NPC-Begleiter Widersacher und rauben Euch selbst die Möglichkeit, den Auftrag zu absolvieren. Ihr müsst dann minutenlang warten, bis die Gegner wieder erscheinen.
Die schwammige und ungenaue Steuerung nervt an einigen Stellen. Zum Beispiel, wenn Ihr über einen schmalen Steg balancieren sollt, um eines der verteilten Pornohefte einzusammeln. Diese erhöhen dauerhaft die Lebensenergie von Anthony. Darüber hinaus könnt Ihr mit Hamburgertüten verlorene Energie zurückgewinnen. Softdrinks steigern kurzfristig die Lebensenergie. Während Starkbier vorübergehend unverwundbar macht. Unabhängig davon regenerieren sich die Lebenspunkte mit der Zeit selbst. Sollte doch einmal die Energie auf Null sinken, so ist das kein Grund zur Sorge. Ihr steigt an der Stelle Eures Ablebens wieder ins Spiel ein. Ein Game Over im klassischen Sinne gibt es nicht.
Bad Day L. A. stellt Euch vier Begleiter zur Seite. Darunter befindet sich ein Mexikaner, der die Kettensäge schwingt. Ihr könnt aber auch einen Sergeant wählen, der Handgranaten wirft. Eure Begleiter sammelt Ihr im Rahmen von Missionen auf. Aktiv begleitet werdet Ihr immer nur von einem, aber könnt jederzeit auf einen anderen wechseln. Jeder einzelne erfüllt seinen Zweck. Sie schützen Anthony vor den Attacken aufgebrachter Passanten, die er nicht ungestraft selbst bekämpfen darf. Von den unterschiedlichen Talenten der NPC-Begleiter bleibt nicht viel übrig.
Bad Day L. A. vergibt Smileys für gute Taten wie das Löschen brennender Zivilisten oder das Vernichten von bösen Terroristen. Im Gegenzug gibt es für schlechte Taten sogenannte Frowneys. Ihr bringt dadurch die Zivilisten weiter gegen Euch auf. Das Bewertungssystem verpufft im weiteren Spielverlauf. Schließlich sind die Levels voll von Smileys liefernden Verbrechern. Ab und an trefft Ihr auf Bossgegner, die nicht wirklich schwer zu bezwingen sind.
Bad Day L. A. ist zwar kein uneingeschränkter Hit. Für einen flotten Zeitvertreib zwischendurch kann man das Spiele aber empfehlen. Die Spielzeit fällt mit sechs bis acht Stunden äußerst kurz aus. Dafür sind die Missionen durchaus abwechslungsreich. Leider gingen den Designern am Ende die Ideen aus. Trauriger Höhepunkt ist der letzte Level „Zombiebombe“, der aus vier Teilen besteht. Er ist angefüllt mit einer Masse an Zombies. Zuerst müsst Ihr die Zombiebombe erreichen. Diese ist vom Startpunkt sage und schreibe zwei, maximal drei Meter entfernt. Die ganze Mission dauert höchstens fünf Sekunden. Falls darin irgendwelche Ironie steckt, dann ist sie mir schlichtweg entgangen.
Trotz solcher Mankos im Spieldesign treibt es euch immer weiter. Und am Ende wächst Euch sogar der Zyniker Anthony ans Herz. Ach ja. Um die Frage am Anfang des Textes zu beantworten: Bad Day L. A. ist trotz allem meilenweit von der Einzigartigkeit eines Alice entfernt.
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