Don King Boxing ist bei uns am 27. März auf drei Plattformen erschienen. 2K Sports haben es nicht einfach. Denn mit dem Branchenriesen Electronic Arts gibt es bereits einen Platzhirsch in so gut wie allen Genres. Don King Boxing muss sich notwendigerweise mit der Fight Night-Serie messen. Ob das Spiel den Vergleich scheuen muss, wird in diesem Review zur Chefsache erklärt, ganz im Sinne von Namensspender Don King. IchSpiele hat sich die Fassung für Microsofts XBox 360 mal näher angesehen.
Ein langer Karrieremodus soll für Unterhaltung sorgen. Dieser wird flankiert von Videobeiträgen, die eine Geschichte erzählen, und Einsprengseln von historischen Boxkämpfen, die es nachzukämpfen gilt. Auf den ersten Blick eine Menge Vielfalt, die jedoch so variabel nicht ist. Bevor ich haarklein einzelne Features zerlege, möchte ich erwähnen, dass die Atmosphäre gut ist, die Prizefighter erzeugt; so wird das Spiel im europäischen Umland genannt.
Der Soundtrack trägt sein Scherflein zum atmosphärischen Reingewinn bei, denn er ist üppig und befriedigt Liebhaber verschiedenster Genres. Mit seinem eigenen Kämpfer im Karrieremodus kann man sich sein Lied der Wahl aussuchen und erfreut sich auf dem langen Weg zum Boxthron der länger werdenden Periode beim Einlauf, die uns als Spieler durchaus motivieren kann.
Leider weniger motivierend sind die Videobeiträge rund um unseren Charakter. Diese liegen zwar in sehr hoher Qualität vor und werden uns glaubwürdig und authentisch präsentiert, doch die Geschichte hat einen Haken. Sie ist eine Einbahnstraße. Wenn man sich die Personenbeschreibungen zum Cutman Johhny Marukami, zu den Agenten Wilton Green oder Carla Clark und anderen Figuren mehr im Handbuch durchliest, kann man sich beinahe einen Reim auf die Geschichte machen. Die ist leider in Stein gemeißelt und geht absolut nicht auf unsere eigenen Handlungen ein.
Im Büro von Trainer Frank Cardellis Boxstudio können wir unsere nächsten Kämpfe buchen, das Training anberaumen und mit unserem Pager Nachrichten abrufen oder mit Leute telefonieren. Das heißt – wir werden immer nur angerufen, aber können nicht selbst jemanden behelligen.
Immer mal wieder kriegen wir spezielle Trainingsangebote offeriert, die uns aus der Öffentlichkeit raus treiben, dafür aber in sehr gute Verfassung bringen. Auf der anderen Seite gibt es Möglichkeiten, Fernsehtermine wahrzunehmen, Werbespots zu drehen oder mit zweitklassigen Models shoppen, und Halli Galli-Kollegen einen trinken zu gehen. Allesamt schrauben sie an unserer Beliebtheitsschraube in der öffentlichen Wahrnehmung. Trainieren wir vor den Kämpfen nur, oder geben wir uns auch mal die Kante? – Leider ist das bei Don King Boxing nicht entscheidend. Denn egal was wir im Verlauf unserer Karriere tun, es wirkt sich kaum (oder gar nicht?) aus. Eher noch steigt oder sinkt unsere Börse – die Geschichte nimmt dessen ungeachtet ihren Lauf.
Das ist enttäuschend, denn als Muttersöhnchen hat man sich vielleicht angestrengt, eine weiße Weste zu behalten und wird hinterher trotzdem der Saufgelage bezichtigt. Um die Karriereleiter zu erklimmen, müssen wir verschiedene Aufgaben erfüllen. Und das ist schon zu viel formuliert. Wir werden immerhin mit einigen Schwierigkeiten in Kämpfen konfrontiert, die unseren Handlungsspielraum einschränken. Einmal beispielsweise bekam man mich vor dem Kampf nicht mehr rechtzeitig fit, ich hatte mir die Finger einer Hand gestaucht. Der Ratschlag des Trainers? Junge, benutz die andere Hand, sonst geht das ins Auge. Der Trainer hat immer Recht! Und darum sollte man sich die Kommentare zu Beginn eines Kampfes ruhig anhören.
In einem weiteren Kampf gegen einen Fiesling musste ich einige Zeit mit eingeschränkter Sicht im Ring überleben, weil der Unter-der-Gürtellinie-Boxer so frei war, mir etwas in die Augen zu streuen. Ebenfalls nicht vergessen werde ich den Tag, an dem ich trotz artigen Trainings angeblich Nächte vorher durchzecht haben soll. Mir steckten die Auswirkungen quasi in den Knochen und meine Ausdauer war mit einem Mal gefährlich labil. Solche und andere Dinge erhöhen natürlich den Spielspaß. Wenn man sich indes angestrengt hatte, dass gerade das nicht passiert und es geschieht trotzdem, wirkt man irritiert.
Die Videobeiträge geben einem latent eine Richtung vor, denkt man. Es geht um Geld, denkt man. Geld ist alles. In kleinen Videobotschaften meldet sich später Don King höchstpersönlich bei uns und stellt uns den Titel in Aussicht, vergisst aber nicht zu betonen, wie wichtig ihm der Profit ist und dass er bei uns auf der Tagesordnung punto numero uno sein sollte. – Was für ein Schwachsinn, denkt sich der Durchschnittsbürger und wohl fast alle Videospieler dieser Welt. Doch so heiß man die Kohlen redet, so schnell lässt man sie fallen. Was nützen einem die tollsten Börsen, wenn man damit im Spiel überhaupt nichts anfangen kann? – Man hätte sich gewünscht, das sauer verdiente Geld ausgeben zu dürfen. Aber wenn wir schon niemanden anrufen dürfen, warum sollte es uns dann gegönnt sein, den mit Schweiß und Schmerzen verdienten Zaster zu verjubeln. Keine Sportwagen mit 12 Zylindern warten in Schauräumen darauf, von uns gekauft zu werden. Und nicht mal Knete abdrücken dürfen wir, um unsere Trainingsmethoden aufzubessern. So ist das Leben: alles Illusion.
Irritiert wirkte ich ebenfalls, als ich das erste Mal mit meinem eigenen Konterfei den Mehrspielermodus wahrnahm. Ich war gut drauf, hatte in der Karriereleiter schon eine Menge Stufen erklommen. Zwar kam ich an einem Allrounder mit großen Fähigkeiten noch nicht so recht vorbei, doch ich wurde immer besser. Von Kampf zu Kampf. Ein Mal hatte ich ihn beinahe so weit gehabt.
Dann kam der Tag, an dem ich mich entschied, online zu boxen. Mein virtuelles Konterfei bekam allerdings mächtig eins auf die Mütze. Mr. Superausdauer mit einer Physis wie ein Stier und ohne Schlagkraft war auf der anderen Seite der Leitung zu mir in den Ring gestiegen. Das „Matching“ hatte in dem Fall absolut nicht funktioniert. Es machte keinen Spaß. Wer freut sich schon verprügelt zu werden? Jedenfalls bewertete ich Mr. Lila-Hose und konnte so auf Nummer sicher gehen, ihm nicht noch mal im Prizefighter-Ring zu begegnen.
Die Steuerung von Don King Boxing – ist sie zu kompliziert oder zu schwammig? Mit Sicherheit könnte die Sensibilität der Analogsticks ein wenig akkurater daher kommen. Schwamm drüber. Prizefighter ist allerdings nichts für Knöpfchen drückende Puristen. Wer vor Jahren an diversen Konsolen geboxt oder gewrestlet hat, der weiß, dass es nicht viel zu Können gab. Bei modernen Vertretern dieser (Show-)Sportarten ist das heute oftmals anders.
Don King Boxing bietet meiner Meinung nach eine grundsolide Handhabe. Man hat durch den Karrieremodus und die Trainings genug Zeit, sich mit der Steuerung vertraut zu machen. Wer das Portfolio an Schlägen und Bewegungsmöglichkeiten ausschöpft, der kann zum Champion werden. Wer nicht die Geduld hat, die Tastenbelegungen in medias res zu erlernen, der wird selbstredend vor den Kopf gestoßen werden. Am Anfang kommen sie alle mit, doch wer wirklich boxen mag, der muss Nehmerqualitäten zeigen und wissbegierig die Tastenkombinationen in sich aufsaugen.
Es geht schnell. Schneller als man denkt auf jeden Fall. Mit einem X+A auf dem Gamepad schwingt man einen linken Uppercut. Mit Y+B kommt der Schlag von rechts unten herangerauscht. Es gibt eine Adrenalinanzeige, die über die Kampfrunden steigt. Überschreitet sie ein gewisses Level, kann der Spieler besondere Schläge ausführen, die allerdings nicht vorschnell eingesetzt werden sollten. Den Gegner beobachten und den richtigen Schlag ausgucken darf’s schon sein. Denn nicht jeder Schlag landet im Ziel. Die KI der Gegner ist selbst im Anfängermodus erstaunlich gut. Novizen werden jedenfalls nicht abgeschreckt und dennoch gefordert.
Schläge an den Kopf, gegen den Körper, von unten, von oben, von der Seite – durch die Deckung schlagen geht mittels Druck auf LB+RB und Y. Ja, es gibt erstaunlich viele Treffermöglichkeiten. – Was mir davon abgesehen besonders gut gefällt, ist der Charaktereditor, mit dem ich ein Abbild meiner selbst erschaffen und anschließend damit in der Weltgeschichte herum boxen kann.
Während die beiden Protagonisten im Ring durchaus ansprechend animiert sind und ihre Körpertexturen mehr als ordentlich wirken, können Ringsprecher, Pausenluder und selbst die Zuschauer einpacken. Die Nummerngirls sehen schon bescheiden aus. Der Ring-Ansager geht gerade noch so durch. Doch das Publikum besteht zu 100% aus Pappkameraden. Denn je weiter weg vom Ring man kommt, desto weniger Ressourcen sind offenbar für das Design der Figuren und Texturen investiert worden.
Bevor man auf die Idee kommt, den Blick schweifen zu lassen, konzentriert man denselben lieber auf sich und den eigenen Kontrahenten. In Sachen Atmosphäre und Inszenierung stimmt an der Oberfläche vieles. Nimmt man sich den Prizefighter zur Brust, merkt man recht schnell, dass er bald nachlässt. Ich habe selten in derlei hässliche Gesichter in Sportarenen geblickt, die noch dazu aussehen, als wäre jeder Dritte von ihnen ein billiger Klon des anderen. Selbst Konamis Pro Evolution Soccer hat eine lebendigere Umgebung auf die Beine gestellt.
Es gibt zwischen den Kämpfen Zeit, meist 2 Wochen, um 2 unterschiedliche Trainings auszuprobieren oder aber 2 Mal das gleiche Minispielchen zu starten. Entsprechend der Art des Trainings (Sandsack, Seilchenspringen, Linienlauf, Boxbirne/Speedball oder Handpratzen stehen zur Auswahl) verändern die Werte in Sachen Schlagkraft, Ausdauer, Gelenkig- und Geschicklichkeit sich. Sie tun dies immer, egal wie gut oder schlecht wir waren, nur eben nicht immer ganz so ergiebig.
Die Minispiele sind Reaktionseinheiten, je unterschiedlicher Art, in denen man zur rechten Zeit die richtigen Knöpfe drücken muss. Seilchenspringen kommt einem zeitweise wie eines der Musikspiele vor, bei dem man zum Rhythmus in die Tasten hauen muss. Schließt man die Trainings ab, wird die eigene Punktzahl in eine Rangliste eingetragen und mit denen anderer Spieler auf der Welt verglichen. Toller Motivationsfaktor ist das. Die Möglichkeit, sich automatisch auf den Kampf vorzubereiten, erlaubt das Spiel auch. Wer die Miniübungen gut meistert um nicht zu sagen ausreizt, der wird aber in jedem Fall mit mehr Erfahrungspunkten für die verschiedenen Köperwerte belohnt.
Grafisch ist Don King Boxing, zumindest was die beiden Kämpfer im Ring angeht, solide zu nennen. Alles andere ist leider kalter Kaffee. Der Soundtrack hat mich überrascht und zufriedengestellt. Enttäuscht hingegen hat mich die stoische Linearität des Handlungsverlaufs im Karrieremodus. Wenn man vom Mangel am „Matching“ absieht, sind Online-Kämpfe eine willkommene Abwechslung. Gegen Freunde an einer Konsole die Handschuhe zu schnüren ist ebenfalls einen Versuch wert. Wenn mir ein Schweinebraten mit Klößen mundet, bin ich als Genießer von Hausmannskost geeignet. Analog dazu wird es mir bestimmt gelingen, mich nicht mit der Königsklasse des Konsolenboxens zufrieden zu stellen. Don King Boxing ist nicht auf Augenhöhe mit der Fight Night-Serie. Wer gehört hat, was Teil 4 von EAs Boxlegende in petto haben wird, der fühlt ganz unwillkürlich, dass Don King Boxing sich warm hat anziehen müssen.
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