Wir haben den Ego-Shooter Prey im Test auf Herz und Nieren geprüft. Das Spiel aus dem Hause 3D Realms spendiert uns die Hauptfigur Tommy. Sie will weg aus dem elenden Reservat, in dem sie lebt. Doch dann verschlägt es ihn bis hinauf ins All. Wie er dort hinkommt und ob er den Weg zurück findet, verrät Euch Prey.
Preys Entwicklungszeit hätte beinahe den Stempel „Forever“ erhalten, wie unser geliebtes Duke Nukem. Doch 3D Realms überließ die Programmierung rechtzeitig den Human Head Studios. Die haben den Ego-Shooter noch in diesem Jahrzehnt fertig gestellt.
Der Held in Prey heißt Tommy. Er ist Cherokee-Indianer und lebt gemeinsam mit Großvater Enisi und Freundin Jen. Sie hausen im ödesten Reservat der Gegend. Tommy möchte dort so schnell wie möglich weg. Leider teilt Jen sein Fernweh nicht. Schließlich ist das Reservat ihr Zuhause. Gerade, als die beiden mal wieder mitten in einer Diskussion stecken, werden sie jäh unterbrochen. Die Musikbox verstummt und im Fernseher erscheint eine Sondermeldung des Präsidenten. Bevor Tommy erfassen kann, was gerade geschieht, reißt es ihn gen Himmel. Jen, sein Großvater und der ganze Rest des Reservats werden ebenso hinaus ins All gesogen. Als er wieder zu sich kommt, baumelt er in luftiger Höhe. Weit unter ihm ist unser blauer Planet.
An Schienen geht die rasante Fahrt durch ein fremdartiges Raumschiff. Sie kommen an pulsierenden Röhren und metallischen Konstruktionen vorbei. Dann wird die Reise von einer Explosion unterbrochen. Tommy muss hilflos mit anschauen, wie Jen und sein Großvater im Bauch des Ungetüms verschwinden.
Nur mit seinem Schraubenschlüssel bewaffnet macht sich Tommy auf, um die Beiden zu retten. Prey beginnt mit dieser rasanten Eröffnungssequenz. Das Spiel macht deutlich, wohin die Reise geht. Nämlich geradewegs in einen geradlinigen Ego-Shooter. Doch dessen Spielzeit fällt mit acht Stunden leider mehr als kurz aus. Allerdings sind diese acht Stunden Unterhaltung pur. Mit dem Schraubenschlüssel in der einen und dem Feuerzeug in der anderen Hand begebt Ihr Euch in Prey auf die Suche nach Euren Liebsten.
Eure ersten Schritte führen Euch durch grünlich schimmernde Röhren. Per englischer Sprachausgabe kommentiert Tommy seinen Ekel darüber. Diese organischen Gebilde werden immer wieder von metallenen Gängen und Räumen unterbrochen. Schon früh, werdet Ihr das Gefühl nicht los, in einem lebendigen Wesen unterwegs zu sein.
Technisch nutzt Prey eine verbesserte Doom-3-Engine. Die Programmierer und Designer bei Human Head Studios haben sich sichtlich ins Zeug gelegt. Denn der Grafikmotor ist nun schon bald zwei Jahre alt. Trotzdem wirkt er in Prey nicht angestaubt. Die Texturen wirken äußerst realistisch und sind mit feinstem Bumpmapping versehen. Gerade den organischen Bereichen der Alien-Behausung sieht man förmlich an, dass Leben in ihnen steckt. Ein vorläufiger Höhepunkt ist erreicht, als sich Tommy durch eine Öffnung zwängen muss, die mehr an einen Schließmuskel als an eine Tür erinnert. Dynamisches Licht und Schatten tragen ihren Teil zur bedrückenden Atmosphäre bei.
Als Tommy durch die nächste Tür tritt, wird er von zweibeinigen, hautlosen Kreaturen attackiert. Dann begegnet er einer Wache im nächsten Raum. Sie hinterlässt unserem Helden seine erste richtige Waffe. Die kann er gleich ausprobieren, als vor ihm einige bewaffnete Gegner auftauchen.
Fast alle Waffen in Prey verfügen über einen zweiten Feuermodus. Das Jägergewehr bietet einen alternativen Zoommodus, der präzise und tödliche Kopfschüsse ermöglicht. Die Wurmkanone bietet, abgesehen vom Schraubenschlüssel, als einzige Waffe keinen zweiten Feuermodus. Dafür lässt sie sich an speziellen Stationen mit verschiedenen Energieformen laden. Darunter zum Beispiel ein Gefriermittel, das die Gegner in Eisskulpturen verwandelt.
Abgesehen von Design und Munition unterscheiden sich die Waffen nicht vom gängigen Genrestandard. Sie überzeugen aber mit einer Fülle an Details. So tropft das Säuregewehr leicht vor sich hin. Im Raketenwerfer bewegen sich Krabbler und das Jägergewehr wirft mit einem Stielauge ab und an einen Blick auf seinen Träger. Als Handgranatenersatz dienen kleine, Krabbler genannte, Spinnentierchen. Denen müsst Ihr zum Scharfmachen ein Bein ausreißen.
Als Tommy das erste Mal eines dieser leuchtenden Bänder betritt, kann er sich ein beeindrucktes „Woah“ nicht verkneifen. Diese Wall Walks genannten Magnetbänder ziehen sich an Wänden und Decken entlang. Sie trotzen jeglicher Schwerkraft. Im ersten Moment fällt die Orientierung schwer. Aber Ihr gewöhnt Euch ziemlich schnell daran. Eure Gegner laufen übrigens ebenfalls auf den Wall Walks entlang. Richtet also Euren Blick nicht nur stur geradeaus.
So kämpft sich unser Held immer weiter durch den Bauch der Sphäre, bis er auf eine gigantische Maschine stößt. Die tötet grausam und unaufhörlich einen Menschen nach dem anderen, und weidet sie aus. Tommy sieht mit an, wie sein Großvater darin umkommt. Der teilt ihm aber mit, dass er ihn bald wiedersehen wird. Erst ein erneuter Sabotageakt eines geheimnisvollen Fremden setzt die Maschine außer Kraft. So kann zumindest Jen für den Augenblick davor bewahrt werden, das Schicksal des geliebten Großvaters zu teilen.
Prey lässt seinem Hauptdarsteller nur selten einen Moment zum Verschnaufen. Und so öffnen sich vor ihm schon wieder die nächsten Portale. Aus ihnen stürmen die nächsten Gegner. Sie führen Tommy aber auch in andere Teile des Raumschiffs. Dabei passiert es schon mal, dass plötzlich der Boden nun zur Decke wird, und umgekehrt.
Tommy kann per Schwerkraftschalter ebenfalls Einfluss auf die Gravitation nehmen. Die Entwickler nutzen dies unter anderem für kleine Rätsel. So ist unser Protagonist einmal in einem Würfel gefangen und muss nun den Ausgang aktivieren. Dazu bewegt er mit Hilfe einiger Schwerkraftschalter einen Kasten eine Schiene entlang. Leider sind solche Aufgaben viel zu selten. Gleiches gilt für die Rätseleinlagen in der Geisterwelt.
Als Tommy das erste Mal stirbt, landet er in der Geisterwelt seiner Ahnen. Dort trifft er seinen Großvater wieder. Der klärt Tommy über seine Gabe des Spirit Walks auf. Diese Fähigkeit erlaubt es ihm, jederzeit in die Welt der Geister zu wechseln. Auf dieser Ebene werden vorher unsichtbare Übergänge sichtbar und er kann ohne Probleme Kraftfelder passieren. Diese lassen sich meist von der anderen Seite aus deaktivieren.
Die Entwickler haben mit diesem Mechanismus einige gute Rätsel eingebaut. So platziert Tommy seinen Körper auf einer Plattform, um dann als Geist einen Schalter zu aktivieren, der die Plattform samt seinem Körper über einen Abgrund oder auf eine höhergelegene Ebene befördert.
Die Geisterwelt bietet noch einen weiteren unschlagbaren Vorteil. Tommy steht in ihr nur sein Cherokee-Bogen zur Verfügung. Nutzt er diesen nicht, ist er für seine Gegner und Selbstschussanlagen auslösende Laserschranken unsichtbar.
Außerdem trifft er bei seinem ersten Besuch in der Zwischenwelt auf seinen bereits vor Jahren verstorbenen Falken Talon. Dieser begleitet ihn von da an und weist nicht nur auf interessante Punkte in der Spielwelt hin, sondern greift selbstständig Gegner an und lenkt sie somit von uns ab.
Sterben könnt Ihr von da an nicht mehr wirklich. Sollte sich Tommys Lebensenergie mal dem Ende neigen, landet er in der Todeswelt. Dort umkreisen ihn rote und blaue Todesalben, mit denen er seine Lebens- und Geisteskraft wieder aufladen kann. Zurück in der Welt der Lebenden setzt er seinen Weg an der Stelle fort, an der er zuletzt das Zeitliche segnete. Ab jetzt verliert die Schnellspeicherfunktion jede Notwendigkeit.
Tommy kann seine Lebensenergie trotzdem auffrischen, und zwar nicht mit Hilfe herkömmlicher Medipacks. Auf dem Boden befinden sich Drüsen, die beim Darüberlaufen Schmerzen lindern und einen Teil der Gesundheit wiederherstellen. Neben diesen kleinen Energiesporen gibt es noch Energiebecken. Sie beseitigen Verletzungen im größeren Maßstab. Die Gegner nutzen diese Heilquellen ebenfalls.
Seine Geisteskraft lädt Tommy auf, indem er die Seelen getöteter Gegner einsammelt. Dabei hilft der Wechsel in den Spirit Walk, zieht doch sein Geist die Seelen magisch an.
Bei seinen Bemühungen, Jen und nebenbei die ganze Welt in Prey zu retten, wird Tommy ständig von einer sphärischen Stimme begleitet. Diese will ihn mal von seinem Vorhaben abbringen und mal bestärkt sie ihn in seinem Vorwärtsdrang.
Die Gegner in Prey sind zwar ständig in Bewegung, suchen Deckung und weichen dem Beschuss durch Tommy aus. Dennoch sind sie meist leichte Beute. Mutierte Menschen schwanken selbst ohne Kopf noch zombiegleich auf Tommy zu. Lediglich die großen Zwischengegner erfordern ein gewisses taktisches Vorgehen. So verfügt einer der Bossgegner über Drohnen, die ihn immer wieder heilen. Sie müssen erst einzeln ausgeschaltet werden.
Was wäre ein Ausflug ins Weltall, ohne selber zu fliegen? So steigt Tommy ab und an in ein Shuttle, bekämpft mit den Bordgeschützen Gegner und räumt mit dem Traktorstrahl versperrte Durchgänge frei. Für Mehr kommen die Shuttles nicht zum Einsatz. Gesteuert werden sie, genauso wie Tommy selbst, mit einer Kombination aus Maus und Tastatur. Dabei hält sich die Steuerung an gängige Standards.
Trotz aller Linearität und Hilfestellung durch Talon gerät Tommy immer wieder in Situationen, in denen nicht gleich klar ist, wie es weitergeht. Es hilft meist nur ausprobieren. Zum Glück sind solche Momente sehr selten. Der Spielfluss wird dadurch kaum gehemmt.
Leider fällt Prey mit circa acht bis neun Stunden Spielzeit mehr als kurz aus. Für eine Verlängerung sorgt der Mehrspielermodus. Die Doom-3-Engine setzt dem Spaß jedoch enge Grenzen. Es gibt nur zwei Spielmodi: Deathmatch und die dazugehörige Teamvariante. Spielt Ihr mit mehr als acht Spielern auf einer Map, wirkt sich das negativ auf die Performance aus. Mit weniger als vier solltet Ihr aber auch nicht spielen. Denn dann lauft Ihr Euch auf den verwinkelten Karten zu selten über den Weg.
Die acht Karten für LAN und Internet sind abwechslungsreich gestaltet. Gerade die je zwei Karten für Wall Walk mit ständigen Schwerkraftwechseln bieten jede Menge Spaß, freilich nur für Leute mit stabilem Magen. Der schnelle Wechsel zwischen oben und unten, rechts und links führt leicht zu Übelkeit und Kopfschmerzen. Auf zwei Karten seid Ihr außerdem in den Shuttles unterwegs. Allerdings habt Ihr damit nur einen eingeschränkten Bewegungsradius und seid dem Fußvolk meistens unterlegen.
Atmosphärisch ist Prey gegenwärtig kaum zu überbieten. Neben der beeindruckenden Grafik und der stimmigen Sprachausgabe passt die Musik perfekt zum Geschehen. Sie schwillt bedrohlich an, wenn sich Tommy einer möglichen Gefahr nähert und wiegt ihn in ruhigeren Momenten mit sanften Klängen in trügerischer Sicherheit.
Leider wiegt die extrem kurze Spieldauer genauso schwer. Jedoch bildet der darin enthaltene Unterhaltungswert ein passendes Gegengewicht. Auch über die Linearität der Spielwelt kann man getrost hinwegsehen, obwohl sie den Wiederspielwert erheblich reduziert.
Somit kann man den Entwicklern bei Human Head Studios nur Eines vorwerfen: Nämlich, dass sie die Möglichkeiten, die Wall Walk, Schwerkraftschalter und Spirit Walk bieten, nicht konsequenter genutzt haben. Auch haben sie das eine oder andere Rätsel zu wenig eingebaut. Ein paar mehr Karten und Spielmodi für den Mehrspielerteil hätten ebenfalls nicht geschadet.
Ach ja, der Abspann hält eine kleine Überraschung parat. Also, nicht gleich Abschalten, wenn der letzte Schuss gefallen ist.
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