Fallout 3 im Test. Bethesda Softworks leistete ziemlich gute Arbeit. Nach Jahren der utopischen Enthaltsamkeit dürfen PC-Spieler und Konsolenfreunde eine Stimmung erleben, die der von Mad Max in nichts nachsteht. Fallout 3 schickt sich an, als äußerst würdiger Nachfolger der Teile 1 und 2, im Jahr 2008 das Spiel des Jahres zu werden.
Wenn Ihr 60, 70 Spielstunden investiert und noch lange nicht alles gesehen habt, was es zu sehen gibt, dann setzt das durchaus Maßstäbe.
Obgleich es viele Elemente gibt, die ein Rollenspiel ausmachen, ist Fallout 3 dabei Genregrenzen zu verwischen. Das ist überhaupt ein Kennzeichen einiger neuer Nextgen-Titel. Manche davon tarnen sich als Action-Rollenspiel, wieder andere als Action-Adventure. Doch in Wirklichkeit sind die Grenzen nicht immer spürbar.
Die Teile 1 und 2 von Fallout boten nur rundenbasierte Kämpfe. Bethesda Softworks sei Dank erlebt der Beinahe-Klassiker ein modernes, neues Kapitel, und zwar in Echtzeit. Wir können, wenn wir wollen, mit der Waffe in der Hand, ähnlich einem Ego-Shooter, durch die Gegend streifen und die Spielwelt durchforsten.
Kommt es zum Kampf, feuern wir, was das Zeug hält – oder aber wir betätigen den taktischen Kampfmodus. Unser Gegner wird dann wie von einem Röntgengerät gescannt, in verschiedene Körperteile unterschieden, und wir dürfen uns eines davon aussuchen, das wir mit unserer Waffe penetrieren möchten. Natürlich können wir mehrere Schüsse hintereinander abfeuern, je nachdem wie die Anzahl der Aktionspunkte es zulässt.
Der Vorteil des taktischen Kampfsystems ist auf jeden Fall die Genauigkeit. Wird uns ein Körperteil angezeigt, das wir mit 90% Trefferwahrscheinlichkeit erwischen, landen wir wohl einen Volltreffer. Das schmerzt den Gegner. Manche davon sind gar auf einen Schlag tot, wenn wir sie richtig treffen (viele Spezies haben eigene Schwachstellen, die es zu erkunden gilt).
Beim Feuern im Taktikmodus wechselt hin und wieder die Perspektive der Kamera. Landen wir besonders effektive Treffer, werden diese in Szene gesetzt. Trotzdem laufen die Kämpfe in Echtzeit ab. Sind unsere Aktionspunkte aufgebraucht, muss sich die entsprechende Punkteleiste erst mit der Zeit wieder auffüllen. Wir selber können und müssen dann ohne das System auskommen oder uns für die Zeit verstecken, bis die Punkteleiste wieder genügend Einheiten hat, um anzugreifen.
Immer wenn man das Gefühl hat, man kennt schon alle Gegnertypen, kommen einem doch wieder neue unter. Das hält das Spiel auf seine Weise interessant. Vielfalt an Steuerungsoptionen und sinnvollen Spieleinstellungen gibt es ebenfalls. Diese Einstellungen sind allerdings oftmals optional. Wenn jemand nicht Gebrauch davon macht, hindert ihn das nicht daran, das Spiel zu genießen. Wir können beispielsweise insgesamt 9 Sondertasten(kombinationen) belegen. Mit R2 und einer Richtungsangabe auf dem Steuerkreuz können wir uns vielleicht mit radioaktiv verseuchtem Essen neue Lebensenergie hinzufügen, schnell mal eine Waffe wechseln, oder alles andere einbinden, was in unserem Inventar dafür vorgesehen ist.
Das Inventar ist nur so groß, wie unser Charakter stark ist. Alternativ ermöglichen manche Drogen, die wir zu Hilfe nehmen, die Stärkepunkte für einige Zeit aufzupeppen. Wer wertvolle Gegenstände mit sich rumträgt, wird das zu schätzen wissen. Doch Obacht. Zu viel von manchem Mittelchen tut uns nicht gut. Irgendwann werden wir darüber informiert, dass wir abhängig geworden sind. Entweder wir leben eine lange Weile mit den Entzugserscheinungen, die unser Spielverhalten immer mal wieder unwillkürlich durcheinander bringen, oder wir schlucken und spritzen munter weiter.
Zum Inventar sei angemerkt: Es mag kaum der Rede wert sein und ist doch bemerkenswert. Kennen wir doch alle ebenfalls Rollenspiele und Vertreter anderer Genres, in denen die Dinge, die wir bei uns tragen, immer mehr und mehr werden. Ein Fass ohne Boden gibt es bei Fallout 3 im Inventory indes nicht, und das ist auch gut so.
Vorgeben jemand zu sein, der man nicht ist, das klappt in Fallout 3 außerdem nicht besonders gut. Anhand der Fähigkeitenpunkte, die sich mit jedem Levelupgrade erhöhen, kann unser Charakter manche Dinge besser als andere. Sprechen, Stehlen, Feilschen, Reparieren, Basteln, und so fort.
Besonders aber in den Kategorien, in denen wir mit anderen interagieren, können wir nur wir selbst sein. Zwar erlaubt uns das Dialogsystem, Antworten auszuwählen, die beispielsweise als Lüge gekennzeichnet sind. Doch wenn wir zu wenig Sprachfähigkeit besitzen, und zudem unser Karma kein besonders gutes ist, sollten wir lieber gleich die Finger davon lassen. Den anderen übers Ohr hauen macht aus uns am Ende nur einen noch schlechteren Menschen.
Die postnukleare Zukunft im Osten Nordamerikas ist riesig. Haben wir Orte einmal entdeckt, können wir zum Glück später, wenn wir im Freien sind und keine Gegner in der Nähe lauern, mittels der Weltkarte einfach dort hinreisen. Die Weltkarte, unser Inventar und einige andere Informationen erreichen wir über den Pip-Boy 3000, ein Gerät das wir quasi zum Beginn der Pubertät in der Vault 101 geschenkt bekommen haben.
Der Wechsel von Tag und Nacht dauert natürlich nicht 24 Stunden, doch hinterlassen die Gezeiten einen atmosphärischen Eindruck. Des Nachts herumzuschleichen ist wenig ratsam. Eine Funzel am Pip-Boy, die sich Taschenlampe schimpft, bringt überirdisch nur wenig Licht ins Dunkel. Unter der Erde allerdings können wir uns damit noch halbwegs passabel durchs Halbdunkel bewegen. Es ist nur nicht immer von Vorteil, das Lichtlein brennen zu lassen. Auf diese Weise werden wir von umherstreifenden Gegnern schneller entdeckt. Doch selbst der helllichte Tag rettete mich manchmal nicht davor, von der einen oder anderen Spezies überrascht zu werden. Und das, obwohl im unteren, zentralen Sichtfeld
eine Art Kompass anzeigt, wohin es geht, und ob jemand im Umkreis umhergeht.
Dazu kommt ein Radioempfangsgerät im Pip-Boy, das uns während der einsamen Fußmärsche die Stimmung aufhellt. Wir haben die Wahl zwischen dem Radiosender der Enklave oder Three Dog, der irgendwo aus Washington DC mit Galaxy News Radio sendet und komischerweise immer mal wieder neue Informationen zu unserem Verbleib und unserem Werdegang erhält. Einsam muss es freilich nicht immer bleiben, weil wir in manchen Situationen Verbündete an unserer Seite haben können, mit denen wir durchs Ödland streifen.
Die Mitstreiter, denen man im Ödland oder unterirdisch begegnet, sind durchaus individuell. Zumindest was ihren Charakter angeht. Denn von der lasziven Barhure bis zum gebildeten Mutanten, der wissenschaftlichen Experimenten nachgeht – ja von eingebildeten Gören bis hin zu prophetischen Irren – Fallout 3 bietet eine Menge Figuren, mit denen wir interagieren können. Die Dialoge haben eine sehr gute Synchronisation erfahren und wirken selten langweilig. Allerdings schaut man nach vielen Stunden Fallout 3 irgendwann in verwandte Gesichter. Metal Gear Solid 4 oder Grand Theft Auto IV sind in der Modellierung der Charaktere durchaus noch einen Tick besser.
Man läuft und läuft und läuft durch die Spielwelt von Fallout. Doch irgendwann passiert es trotzdem, dass man an eine unsichtbare Grenze stößt. Man ist als Spieler in solchen Momenten fast ein wenig enttäuscht darüber, dass die virtuelle Weite ein rigoroses Ende hat. Grafisch wird diese indes sehr hübsch und detailreich gerendert.
Fallout 3 wird allerdings noch lange Spaß machen. Nicht zuletzt, weil die Entwickler selbst Zusatzmaterial anbieten werden und weil es für den Computer eine Software gibt, mit der man eigene Levels und Mods für das Spiel erstellen kann. Inwiefern diese Zusatzmaterialien für Konsolenspieler ebenfalls bereitgestellt werden bleibt abzuwarten.
Wer ein wirklich sehr gutes Rollenspiel sucht und zudem mit der utopischen Geschichte gut auskommt, der kann bedenkenlos zu Fallout 3 greifen. Natürlich, oder sollte ich schreiben leider, ist das Spiel nicht jugendfrei. Und natürlich ist auch in Fallout immer noch Luft nach oben. Doch wenn ich es in einen Topf werfen müsste mit meinen Favoriten aus 2008, zu denen GTA IV, MGS 4 und Bioshock gehören, dann könnte ich mich dabei ertappen, wie ich Fallout 3 dennoch den Vorzug vor den anderen gebe und es bei mir persönlich ganz oben auf dem Treppchen landet.
Angemerkt sei noch, dass es in einigen wenigen Fällen zu Abstürzen der PlayStation 3 gekommen ist. Da das Spiel regelmäßig zwischenspeichert, fällt das kaum ins Gewicht. Selbst mit viel Pech muss man selten weiter weg vom letzten Aufenthaltsort wieder beginnen. Ein wenig schade ist die Tatsache, dass die eigene Spielfigur keine Stimme bekommen hat. Wir wissen alle, wie schwer es ist, Videospielfiguren eine adäquate Stimme zu verpassen. Doch irgendwie hätte man sich gewünscht, dass man sich selbst nicht nur am Bildschirm lesen, sondern sogar hören kann.
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