Electronic Arts versucht erneut seine Zielgruppe zu erweitern. Mit Facebreaker erweitert der Hersteller seine freestyle-Serie um Fifa Street um einen Boxing-Titel, der mit Typen auftritt, die man besser nicht zu ernst nehmen sollte. Anfang September wurde Facebreaker für die PlayStation 3 veröffentlicht – IchSpiele hat die Möglichkeit, es ausführlich unter die Lupe zu nehmen.
Meine Güte – was haben wir die Gamepads durcheinander geworfen, als es auf dem Nintendo 64 noch hieß, Electronic Arts lädt zum Preisboxen, das ausschaut wie richtiges Fäusteschwingen. Gemeint ist nicht Ready 2 Rumble Boxing, mit dem Midway Ende der 90er Jahre schon einmal versuchte, aus dem Boxen eine Karikatur zu machen.
Wenn wir ehrlich sind, hat es immer mal wieder Spiele gegeben, wie z. B. NBA Jam, die eine andere Zielgruppe angesprochen haben, als die Profi-Spieler von Fifa Soccer, NBA Live und so fort. Der Unterschied zwischen damals und heute? – Electronic Arts tritt selbst als Comic-Bittsteller auf. Damals haben wir uns mit Knockout Kings auf Luftmatratzen vor dem Kastenfernseher eins auf die Mütze gegeben.
Heute dürfen wir vor einem Full-HD LCD-Fernseher eine Auflösung von maximal 1080p genießen und sogar kabellos auf dem Sofa herumfuhrwerken. Von Knockout Kings aus dem Jahr 1999 führt uns der Weg zu Facebreaker im Jahr 2008.
Facebreaker ist ein reinrassiges Arcade-Spiel. EA versteht es, die Festplatten-Installation derart zu verstecken, dass der Spieler immer das Gefühl haben kann – drauf und los! Verrückte Charakter warten und ein Boxerlebnis, dass zugleich einfacher nicht sein könnte und doch sehr viel Potenzial für Frust bereithält.
Quicktime-Events (QE) werden nicht von allen Spielern positiv aufgenommen. In Facebreaker kommen diese nur latent zum Einsatz. Auf den ersten Blick erleben wir zwar gar keine QEs. Doch wenn wir genauer hinsehen, dann erleben wir sie ständig. Die Abwehr von Schlägen im Spiel ist zwar kein reines Glücksspiel, aber artet zum minutiösen Reaktionstest aus. In dem Augenblick, da der Gegner zu einem hohen Schlag ansetzt, müssten wir dieselbe Taste betätigen, um den Schlag abzuwehren.
Genauso „einfach“, wie die Abwehr, funktioniert eben auch der Angriff. Die KI der Computerspieler ist, trotz dreier Schwierigkeitsgrade aus irgendeinem Grund mit sehr viel Frustpotenzial verbunden. Boxen wir in einem der Spielmodi um den allerersten von 4 verschiedenen Gürteln, dann erleben wir spätestens beim zweiten Kampf eine herbe Enttäuschung. Der dicke Junge im Kung-Fu-Outfit mit Zorro-Maske vermöbelt uns, ehe wir uns umblicken können.
Mit Übung geht auch das. Doch die Übung besteht eigentlich aus einem Geduldsspiel. Am Einzelspieler-Modus muss Electronic Arts auf jeden Fall für die Zukunft noch feilen, damit das Spiel auch genauso viel Spaß macht, wie seinerzeit Knockout Kings. Komplex ist das Spiel nicht, nur eben schwer. Unsere Aktionen halten sich in Grenzen, sind schön inszeniert, doch wenn wir einige Spezialschläge zum 50ten Mal angebracht haben, verliert der Hokuspokus an Reiz.
Reizvoller hingegen ist das Spiel Mann gegen Mann. Denn der Gegenüber wird wahrscheinlich genauso viele Probleme mit dem Timing fürs Knöpchendrücken haben wie wir selbst, und am Ende kommt ein fairer Wettbewerb dabei heraus. Was gibt’s Schöneres als dem Kumpel oder der Freundin mal richtig die Hucke vollzuhauen?
Damit das auch richtig authentisch wirkt – hat EA sich etwas ausgedacht, das zugegeben nicht neu ist, aber doch ein paar Pünktchen auf der Wertungsskala ausmacht. Ein Foto von unserem Gesicht bei EA hochgeladen – und wir können auf der PlayStation unser eigenes Konterfei zu einem Boxidol verarbeiten. Ich selbst habe bereits einen Kämpfer, der es mit Seinesgleichen aufnehmen kann (vgl. Screenshot).
Die Grafik in Facebreaker ist ordentlich, bietet eine überschaubare Anzahl an Spielmodi, einen mehr als ordentlichen Soundtrack, Menüs, Bedienung – allesamt solide, wie man es von EA gewohnt ist. Doch genauso wie Fifa Street gegenüber dem wirklichen Fifa Soccer abfällt und eben kein NBA Jam geworden ist, das wirklich beide Welten begeistern konnte, durch pures Arcadefeeling, das bei Facebreaker nicht langfristig aufkommen mag.
Ich wünsche mir, dass EA auch bei einem Produkt wie Facebreaker, das lediglich der Erweiterung der Zielgruppe dient, mehr Sorgfalt an den Tag legt. Dann nämlich kann ich mir einen Titel wie Facebreaker vorstellen, den ich und meine Freunde mit Genuss vom Sofa aus spielen, oder wo es uns gerade beliebt.
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