Gameloft hat im August erklärt, dass man ein Abkommen mit Interplay geschlossen habe. Als ein erstes Ergebnis kann Earthworm Jim für iPhone betrachtet werden. Diesen Plattform-Wurm hat man sich geangelt, doch den Haken schon wieder ausgeworfen, nachdem man die Portierung von Earthworm Jim abgeschlossen hatte. Jetzt hat man die Angel im App Store ausgelegt, um auf Kundenfang zu gehen. Wie viele Fische Gameloft im Netz erwarten kann, versucht unser Test zu beantworten.
Schon 1995 beschäftigte ich mich ausgiebig mit der PC-Fassung von Earthworm Jim. Ich werde später näher darauf eingehen, dass manche Dinge sich eben nie ändern.
Bei Earthworm Jim haben wir es dank des Erfinders David Perry nicht mit einem klassischen Helden zu tun, sondern eher mit einem Regenwurm im Raumanzug, der in einem äußerst skurilen Setting aufgehoben ist und ganz nebenbei ein wenig die Verbindung zu sich selbst verloren hat. Der Wurm möchte eine Prinzessin retten und gleichzeitig üble Machenschaften vereiteln. Nicht irgendeine Prinzessin, sondern Prinzessin „What’s-Her-Name“. Diesen Namen muss man sich einfach kurz auf der Zunge zergehen lassen, und er zeigt so viel von dem Humor, den David Perry diesem Wurmspiel geschenkt hat.
Ein klassisches Jump and Run geht anders. Nennen wir es Jump and Shoot und sind gut dabei. Doch mitunter werden die normalen Plattform-Einheiten aufgelockert durch ein paar Weltraumrennen, Bungee-Sprünge oder Unterwasserlevel. Davon abgesehen hat Jim selbst einige Aktionen mehr als das bloße Springen zu bieten. Er kann in alle Himmelsrichtungen schießen und auch sich selbst als Peitsche benutzen, oder als Enterhaken, an dem er sich irgendwohin schwingt. Wenn Jim bei Sprüngen länger in der Luft ist, mutiert sein Kopf zur Propellermaschine. Er sinkt dann nur noch gemächlich gen Boden.
Jim hat es mit 12 unterschiedlichen Gegnertypen zu tun, auf die er in insgesamt 16 Leveln trifft, die wiederum auf 10 Spielumgebungen verteilt sind. Will heißen, manchmal geht es eben noch ne Weile weiter, wenn der große Boss-Gegner besiegt wurde und nicht immer ändert sich der Hintergrund. Es gibt auf jeden Fall genug zu entdecken.
Es gibt Kühe in dem Spiel, so viel ist sicher. Es gibt aber darüber hinaus auch 4 Schwierigkeitsgrade, von denen der letzte derjenige des Originals sein soll. Earthworm Jim ist kein Plattformspiel gewesen, dass dem Spieler das Leben leicht gemacht hätte. Entsprechend können Anfänger und Plattform-Laien oder Gelegenheitsspieler froh darüber sein, dass es diese Auswahlmöglichkeiten gibt. Hauptsächlich unterscheiden sich diese in der Anzahl der Leben, die einem selbst zur Verfügungen stehen.
Gameloft weiß, was sich gehört im iPhone-Business. Der Bewegungssensor ist ins Spiel integriert – und zwar in den Spielabschnitten zwischendrin, in denen der Wurm auf der Rakette reitet und Rennen bestreitet. Diese Passagen gehen wirklich sehr gut von der Hand, weil man die Schwenkbewegungen sehr gut auf die Positionswechsel der Spielfigur auf dem Bildschirm übertragen kann. Daneben bietet Gameloft für den gewöhnlichen Spielbetrieb 2 unterschiedliche Steuerungsoptionen an. Ein digitales Steuerkreuz, bestehend aus 4 Buttons oder ein virtuelles Joypad, das mehr einem Analogstick ähneln soll. Während man bei Spielen, die in 2,5 oder 3 Dimensionen stattfinden sonst getrost auf die Stick-Steuerung zurückgreift, bevorzuge ich bei dem 2D-Plattformer die Richtungsänderungen mittels des Digikreuzes. Sie sind präziser.
Ebenfalls integriert hat der Publisher die Option, die eigene iPod-Musikbibliothek anzuwerfen, während man spielt, und so den optimierten Soundtrack zum Spiel abzulösen. Und natürlich dürfen heutzutage Trophäen nicht fehlen. Für jeden besiegten Bossgegner, für viele andere Aktionen – man hat sich diverse Pokale ausgedacht, die der Spieler sammeln und mit Stolz vorzeigen kann. Zumindest sieht so die graue Theorie aus. Denn Gameloft setzt für die „sozialen“ Dinge online auf eine eigene, propietäre Lösung namens Gameloft Live. Die tut, was sie soll – es hapert nur manchmal an der richtigen Verbindung. Aber natürlich ließe sich einerseits die Usability noch verbessern. Andererseits können Gameloft-Spieler sich die Frage stellen, warum man nicht eine der vorhandenen, großen Social Gaming-Anwendungen (Open Feint, Plus+) integriert hat. Darüber hätte man den Spielern ermöglicht, den Trophäenschrank nicht nur in einer „Geschlossenen Gesellschaft“ zu öffnen. Ganz grundsätzlich liegt aber dieser Zentralismus bei einer Firma, die aus Frankreich kommt, nur zu deutlich auf der Hand.
Vieles hat Gameloft richtig gemacht, für manche Dinge können sie einfach nichts. Zum einen ist da das Ding mit der Haptik – es gibt Passagen in Earthworm Jim, bspw. wenn man mit dem Wurm über bewegliche Teile (sich drehende Diamanten, Fließbänder) manövrieren muss, oder „schnell“ zielgenau mehrere Aktionen hintereinander ausführen muss. Beides klappt „verhältnismäßig“ gut, krankt aber an den Gegebenheiten auf die man trifft, wenn man mit Touchscreens zu tun hat.
Wofür Gameloft ebenfalls nichts kann, was aber sukzessive immer anstrengender wird, ist, die Übersicht im Spiel zu behalten. Schon 1995 hab ich zwar gerne den Wurm gescheucht aber mich viel zu oft darüber geärgert, das die Hinweise darauf, wo es denn weitergeht, sehr unübersichtlich und manchmal äußert versteckt untergebracht sind. Hin und wieder überschneiden sich Wege im Spiel und man merkt es nicht, denkt, man sei wieder dort, wo man angefangen hat und geht spontan nochmal in die Richtung, die man bereits zuvor gegangen war. Dabei hätte man sich eventuell von einem rotierenden Diamanten auf ein neues Plateau tragen müssen. Hinweise, wie es im Spiel weitergehen kann, sind auch zu Beginn eines jeden Levels in Form eines Comics für die Spieleraugen aufbereitet. Wer diese Splashscreens zu schnell wegblendet, kann sie auch in der Hilfe finden. Die wiederum gibt es nicht in den Einstellungen, sondern beim Tippen auf das „i“ für Information auf dem Startbildschirm. Trotzdem bietet sich Earthworm Jim dazu an, einfach mal eine bebilderte Komplettlösung zur Hand haben zu müssen, wenn es mal nicht weitergeht. Hat man einmal gelesen, wie es in der Situation weitergeht, fasst man sich an den Kopf und denkt: na klar! Doch manchmal sieht man eben den Wald vor lauter Bäumen nicht und manchmal hat David Perry diese Bäume in seinem Plattformspiel einfach viel zu gut versteckt.
Jetzt habe ich viele Worte verloren, dabei wollte ich doch eigentlich sagen: Earthworm Jim erlebt auf dem iPhone und iPod Touch ein wirklich gelungenes Revival. Die Animationen sind flüssig übertragen, die Grafik ist für Comic-Verhältnisse top. Wenn der Hintergrund sich beim Laufen mit verschiebt oder die Kulisse in mehreren Ebenen zum Horizont hin ausgeblendet wird – dieser Detailreichtum zeigt, wie liebevoll dieses Produkt, trotz der Meckerei, um die ich nicht umhin konnte, doch eigentlich produziert wurde. Gameloft hat sein Scherflein dazu beigetragen, um dem Erdwurm Jim ein würdiges Stelldichein im App Store zu ermöglichen. Immerhin wurde ja nicht nur der Soundtrack verbessert, sondern man hat gleich die aufgehübschte Grafik der späteren Fassungen verwendet und hat nicht auf die 16-Bit-Konsolen-Fassungen aus dem Jahr 1994 zurückgegriffen, um dort den Ursprung für die Portierung auszugraben.
Vieles fein also, nur wird es knapp werden mit einer absoluten Top-Wertung für Jim, stattdessen muss er sich damit abfinden, dass meine Person und ihre Befindlichkeiten zwischen ihm und seinem Gold-Award stehen. Earthworm Jim ist aktuell für 3,99 Euro im App Store zu haben.
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