Die anhaltende Spieleflaute für die Vita sorgt anscheinend dafür, dass sich Publisher trauen, auch exotischere Spielkonzepte in unseren Breitengraden zu veröffentlichen. Bei Danganronpa: Trigger Happy Havoc handelt es sich um ein Remake des Japan-exklusiven PSP-Originals aus dem Jahre 2010, dem man den japanischen Ursprung schon am wenig eingängigen Titel anmerkt. Auch das Konzept der spielbaren Visual Novel ist auf dem deutschen Markt relativ selten anzutreffen, was den Release umso spannender macht. Ob die Geschichte und das Gameplay das Interesse über die gesamte Spieldauer halten kann, erfahrt ihr in unserem Test.
Ihr spielt einen komplett durchschnittlichen Schüler: mittelmäßig intelligent, keine besonderen Fähigkeiten und auch äußerlich könnt ihr euch nicht von der Masse abheben. Umso verwunderlicher, dass gerade ihr auserkoren wurdet, an der Eliteschule Hope’s Peak Academy euren Abschluss zu machen, denn Schüler müssen herausragende Fähigkeiten in einem Spezialgebiet vorweisen, beispielsweise Sport, Musik, Philosophie oder sogar Comic-Zeichnen. Wie sich herausstellt, habt ihr zumindest in einem Punkt die Nase vorn: Glück. Durch Losen wurde der letzte der 15 neuen Schüler des Jahrgangs ermittelt und ihr seid der Glückliche. Dass dieses Glück jedoch fragwürdiger Natur ist, zeigt sich bereits am ersten Schultag. Der Schulleiter in Form eines seltsamen Teddy-Bärs (!) namens Monokuma erklärt, dass alle Neuankömmlinge ihr restliches Leben in der Schule verbringen müssen. Es gibt nur einen Weg dem Gebäude zu entkommen und die Ausbildung „abzuschließen“: einen Mitschüler töten ohne dabei erwischt zu werden!
Erwartungsgemäß hält der Friede nicht lange an und die erste Leiche wird gefunden. Der Mörder kann jedoch nicht direkt nach seiner Tat das Gebäude verlassen, sondern muss im anschließenden Prozess die Schuld von sich abwenden. Gelingt ihm das, kann er gehen und die restlichen Überlebenden verlieren als Strafe ihr Leben. Eure Aufgabe besteht fortan darin, die Mörder zu entlarven und einen Ausweg aus diesem Albtraum zu finden.
Zwischen den Mordfällen und Story-Events erinnert Danganronpa etwas an Persona 4: Ihr habt freie Zeit zur Verfügung, in welcher ihr eure Beziehungen zu den Klassenkameraden verbessern könnt. Dies geht über einfache Unterhaltungen bis hin zu Geschenken, die ihr überreicht. Als Belohnung winken Skill-Points die euch hilfreiche Fähigkeiten für die Verhandlungen freischalten. Geschenke werden durch Münzen gekauft, die in den Schulräumen versteckt sind. Nach jeder erfolgreichen Mordaufklärung werden zudem neue Schulbereiche freigeschaltet, die zum Erkunden einladen.
Direkt nach den Morden schlüpft ihr in die Rolle des Detektivs, untersucht die Tatorte und versucht möglichst viele Hinweise zum Tathergang aufzuspüren.
Die Gerichtsverhandlungen selbst verlangen Geschick und logisches Denken. Ganz wie in der Ace Attorney-Serie müssen in den Aussagen eurer Mitschüler Fehler entdeckt und durch das richtige Beweisstück korrigiert werden. Im Gegensatz zu Ace Attorney wird das Ganze zusätzlich durch kleine Action-Sequenzen „aufgelockert“, in welcher nicht nur die korrekte Beweisführung sondern unter anderem auch Timing und gutes Zielvermögen ausschlaggebend für den Erfolg sind. Die sicherlich gut gemeinte Abwechslung kann jedoch auch nerven, wenn ein sicherer Einspruch mehrfach scheitert, weil man zwei Pixel daneben zielt. Leider wiederholen sich diese Minispiele recht häufig und unterbrechen den Fluss während der Verhandlungen. Hier wäre ein stärkerer Fokus auf den Inhalt wie im restlichen Spiel besser gewesen.
Am Umfang gibt es hingegen nichts auszusetzen. Die Geschichte ist in 6 Kapitel unterteilt, welche jeweils ca. 4-5 Stunden dauern. Leider hat euer Verhalten keinen Einfluss auf den Ausgang der Handlung, was den Wiederspielwert deutlich schmälert. Im Gegensatz zur japanischen Fassung ist in der westlichen Version nur das Remake des ersten PSP-Teils enthalten. Japanische Zocker kommen zusätzlich in den Genuss der aufgehübschten Fortsetzung, welche hier wahrscheinlich aufgrund von Lokalisierungskosten unter den Tisch fiel. Schade…
Zwar ist die Grafik knackscharf und die 2D-Charaktere detailliert gezeichnet, den 3D Räumlichkeiten sieht man die PSP-Herkunft leider deutlich an. Matschige Texturen in kargen Räumen gefüllt mit ein paar 2D-Objekten die teilweise unter Treppchenbildung leiden – wirklich zeitgemäß wirkt das nicht. Da der Fokus aber auf der Geschichte liegt, ein durchaus verzeihbarer Schwachpunkt, auch wenn ich mir ein paar mehr Animationen in den Bildern gewünscht hätte. Etwas unangenehmer kann hingegen die fehlende deutsche Übersetzung sein, welche das Verstehen der Zusammenhänge bei geringen Englischkenntnissen deutlich erschwert. Alle anderen sollte dies aber nicht stören. Optional kann das Spiel sogar auf Japanisch gezockt werden – guter Fanservice in diesem Genre! Leider betrifft die Sprachausgabe nur einen Teil der Dialoge und vieles, besonders abseits des Gerichtssaals, wird durch Textboxen erzählt. Die Musik verhält sich unauffällig, unterstützt aber gut die Atmosphäre.
Nach den ersten zwei recht langatmigen Stunden nimmt die Story richtig an Fahrt auf. Man will wissen, wie sich die Geschichte weiterentwickelt und ob sich ein Ausweg aus dem Grauen finden lässt. Auch die Mitschüler wachsen einem richtig ans Herz, sodass ihre Tode schockieren und die Täter durchaus überraschen. Somit lässt sich das Game allen Freunden von Visual Novels und den Ace Attorney Spielen empfehlen sowie allen Quereinsteigern, die Freude an überdrehten Charakteren haben und auf Daueraction verzichten können. Falls die Vita mal wieder Staub ansetzt, stellt das Spiel einen guten Grund dar, diesen zu beseitigen.
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