Wir haben Tekken 6 getestet, das Namco Bandai vor ein paar Tagen erst veröffentlicht hat. Normalerweise eignen sich Sportspiele dazu in einer derart epischen Länge erzählt zu werden, respektive jedes Jahr aufs Neue, mit tollen neuen Features, aufpolierter Grafik und neuen Spielerdaten veröffentlicht zu werden. Bei Tekken trifft zumindest einiges davon auch zu, obwohl es kein Sportspiel ist, jedenfalls nicht im klassischen Sinn. Unser Review verrät euch, wie gut Teil 6 abschneidet.
Auf der Gamescom in Köln hat man vor den Treppen zum Businessbereich der Hallen 5 mannshohe Plakate kleben sehen von Tekken 6. In den Besucherbereichen ebenfalls, und zuletzt machten skurrile Trailer die Runde.
Hunde, die Bellen, beißen nicht – heißt es. Oder auch: Der, der am lautesten brüllt, hat meist etwas zu verbergen. Im Falle von Rockstar und Grand Theft Auto IV war die größte Werbekampagne seit Beginn dieser Serie ein toller Schritt, neue Spieler für sich zu gewinnen. Und bei Tekken?
Namco hatte sich mächtig viel Zeit gelassen mit der Umsetzung für die PlayStation 3 (und auch die Xbox 360). Denn die Variante für Arcade-Automaten war schon eine Weile im Einsatz. Es gab bis zur Veröffentlichung von Tekken 6 mehr oder minder 2 Konkurrenten, die ihren Auftritt hatten. Midway mit dem Versuch, Superhelden gegen Mortal Kombat-Kämpfer antreten zu lassen, ging baden, weil das Franchise nicht authentisch wirkte und die Verantwortlichen hinter den Kulissen sich verzockt hatten. Anders Capcom: Man erinnerte sich der alten Tugenden und wollte trotzdem etwas Neues probieren. Im Ergebnis erntete man viel Lob für die Reinkarnation von Street Fighter in dessen viertem Teil. SFIV wirft nun einen langen Schatten und Namco Bandai hat viel zu lange gewartet, um nicht in diesem Schatten zu stehen zu kommen, gleichzeitig aber auch nicht lange genug, als dass die Sonne über Capcoms Prügler sich vielleicht mit ihren Strahlen bereits verzogen hätte.
Was wir also geboten kriegen von Namco Bandai ist Hausmannskost. Gemessen an der Zeit, die man sich genommen hat, bald schon eine Frechheit. Grafisch verfügt das Spiel nicht über die Qualitäten, die den Versionssprung von 5 auf 6 rechtfertigen würden. Der Funktionsumfang ist fast gleichgeblieben. Es gibt als neues Feature den Rage-Effekt. Wenn unsere Energie einen kritischen Punkt erreicht, kriegen wir die zweite Luft und unsere Treffer ziehen noch mal extra Lebensenergie vom Kontrahenten. 40 Kämpfer stehen wohl insgesamt zur Verfügung, aber nur eine Handvoll neue sind darunter. Die Story ist mehr als seicht, aber das war sie ja schon in den Vorgängern – es gibt immer wieder einen Grund ein Iron Fist-Turnier abzuhalten.
Wir können die Figurenanimation als sauber bezeichnen und sind damit beim wohl besten Element, das Tekken 6 zu bieten hat. Der Mehrspielermodus online kommt zu kaum einem Zeitpunkt ohne Störungen durch Verzögerungen aus. Der Kampagnenmodus ist ein wüstest Video-Intermezzo mit zweitklassigen Renderszenen, die teils in Devil May Cry 4 grafisch nicht schlechter gemacht wurden. Nur das zwischen der Erstveröffentlichung von DMC4 in Europa und derjenigen von Tekken 6 mehr als 1 1/2 Jahre liegen. Die Kampfszenen in diesem Double-Dragon-Verschnitt sind zu Anfang äußerst rar gesät und wir kommen uns vor wie in einem billigen B-Movie. Asiatische Grunzstimmen mit inbegriffen. Und dann? Ja, dann, wenn es zur Action kommt, wirken selbst mittelprächtige Activision-Titel wie Marvel Ultimate Alliance wie Gold. Und überhaupt, warum liegt hier so viel Stroh? – Man fragt sich tatsächlich, warum in den Kampfarenen jedes Mal, wenn jemand zu Boden geht, der Asphalt zu Bruch geht. Auch dann tut er das, wenn es sich um eine zierliche Frau handelt und sowieso immer, selbst wenn der Untergrund eigentlich die Weide auf dem Berg in den Alpen ist. Das sieht äußerst seltsam aus und wirkt mit jedem Mal Ansehen nur noch dämlicher. Oder hat schon mal jemand nem Schaaf oder ner Kuh nen Asphaltbrocken aus der Wiese gezaubert?
Das Kämpfen haben die Protagonisten freilich nicht verlernt. Allerdings ist Tekken 6 noch ein wenig kitschiger als die Vorgänger schon waren. Wenn ein Asiate mit zu viel Schminke im Gesicht und einer Narbe sich den Pferdeschwanz hochsteckt, Lackstiefel trägt und auf der Alpenweide von Jodl-Blaskapellen-Musik umgeben wird, spricht das für sich oder sollte mit Sicherheit eine Anspielung auf den alten Schlager, Lieschen, Lieschen sein. Es hat am Ende bestimmt nur keiner kapiert. Doch zurück zur Kampfkunst. Dadurch, dass es noch eine Reihe mehr Kämpfer gibt, sind deren individuelle Kampfstile allesamt gut anzusehen. Ja, wenn nur nicht alles immer so grell wäre und so schimmern würde. Kleidung und Haut sehen viel zu oft danach aus, als wären sie in eine Kiste mit Klarlack getunkt worden, und das wo bei Nina Williams der Busen wackelt wie Pudding und das Sixpack von Kazuya Mishima sich ordentlich krümmen kann. Es hätte alles so schön sein können… Wer aber dort draußen immer davon schreibt, dass es bei Tekken 6 Essig wäre mit Button-Mashing, bei dem muss ich mich fragen, ob er den Titel überhaupt mal gespielt hat. Hätte ich die Möglichkeiten dazu, In-Game-Szenen im Video festzuhalten, würdet ihr sehen können, wie ich selbst manchmal in den einfachen Spielarten in eine Combo gelaufen bin, die gar kein Ende mehr nehmen wollte. Das frustriert einen dann schon, wenn man zwischen der Wand und dem Gegner in der Luft gehalten wird, wie ein Jonglierball, den jemand mit Füßen tritt. Fast so war’s ja dann sogar.
Wer kämpft und kämpft und kämpft, der verdient sich die Sporen und kann dafür dann später seinen Kämpfer mit irgendwelchem Zeugs ausrüsten. Das bringt eine individuelle Note in das Beat ‚em up von Namco Bandai. Ebenfalls schön anzusehen ist der historische Überblick über die Geschehnisse der Teile 1 bis 5, der uns in beweglichen Skizzen vor Augen geführt wird, als wir den Kampagnenmodus starten. Darüber hinaus ist Tekken 6 aber eine mittelschwere Enttäuschung. Gegenüber dem Vorgänger hat sich kaum etwas getan und das ist angesichts der Zeit, die Namco Bandai hat verstreichen lassen, unverständlich. Tekken 6 ist ein solider Prügelspaß für Exzentriker, die sich mit den übersteigert dargestellten Spielfiguren identifizieren können.
Den Kampagnenmodus hätte man sich, wie auch vorher schon mal, sparen können. Gerade mit Blick auf die Konkurrenz von Street Fighter IV gewinnt Tekken 6 in meinen Augen keinen Blumentopf diese Saison. Vielleicht sollte man sich beim Hersteller fragen, ob es Sinn macht, den Bogen noch weiter zu überspannen, oder nicht lieber was Neues auszuprobieren. Toll wäre gewesen, das Kampfgeschehen wirklich mal in eine offene(re) Spielwelt zu verlagern. Das hab ich gedacht, als einer der umstehenden Schaulustigen vor dem niederfallenden Gegner zurückwich. Meine Wertung liegt – Freunde der Sonne – übrigens nicht am Gamepad, denn ich hab den Arcade-Stick zum Spiel gleich mit getestet. Der allerdings hat nicht mal einen Schalter, um ihn auszustellen. Mal sehen, wie lang die Batterien halten…
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