Echtzeitstrategie für die XBox 360 und dann auch noch im ausgereizten Setting des Zweiten Weltkriegs? Kann das gut gehen, fragt sich so mancher Spieler und denkt an die vielen missglückten Strategiespiele auf unterschiedlichen Plattformen. Diese haben in der Vergangenheit dem Genre nicht zu Ruhm und Ehre auf den Konsolen verholfen und hinken durch ihre komplizierte Joypad-Steuerung ihren PC-Brüdern oft meilenweit hinterher. Das war einmal, die Vergangenheit ist passe: Mit R.U.S.E. schickt Ubisoft ein Echtzeitstrategiespiel an, welches mit gängigen Vorurteilen aufräumt und der Konkurrenz den Weg in Sachen intuitiver Steuerung weist. Mehr dazu in unserem Review.
Es herrscht Krieg in Europa, und wir als Spieler mittendrin. Unsere Aufgabe ist es als Major Joe Sheridan die Alliiertentruppen in 23 Singleplayer-Missionen gegen die Deutschen anzuführen. Die dabei erzählte Geschichte wird in netten Zwischensequenzen dargestellt, ist an sich jedoch sehr vorhersehbar und nicht wirklich wichtig. Interessanterweise ähnelt sie eher einem Agententhriller als einem Kriegsfilm, da ein wichtiger Bestandteil des Spiels Spionage und deren Abwehr ausmacht und die Hauptmotivation des gesamten Spiels darin liegt einen Spion zu jagen. Diesen verfolgen wir durch die Missionen hinweg von Nordafrika an über Italien, Frankreich und Holland bis schließlich nach Deutschland.
Es ist nahezu unglaublich, wie groß die Designer die Karten gestaltet haben. So erinnert R.U.S.E. beim ersten spielen eher an ein großes Table-Top-Game mit Poker-Chips, da die Einheiten in der kleinsten Zoomstufe als solche dargestellt werden und das schön gestaltete Gelände komplett mit Straßen, Dörfern und Flüssen überblickt werden kann. Die eingebaute Zoom-Fuktion ermöglicht eine stufenlose Vergrößerung des Geschehens und bietet detaillierte Ansichten der gesamten Karte bis hin zu einer einzelnen Einheit. Dies wirkt zu Beginn erschreckend komplex, vermittelt es doch den Anschein das hier bis in kleinste Detail kontrolliert werden muss. Dem ist aber glücklicherweise nicht so; zoomt man weiter heraus, werden Einheiten zu Verbänden zusammengelegt und können so auch in Gruppen bewegt werden. Nur im Einzelfall (beispielsweise einen Panzer aus einer Gruppe von vier anderen Panzern zu verlegen) muss der Spieler selbst einzelne Einheiten bewegen und managen.
Technisch kann bemängelt werden, dass bei größerer Zoomstufe, die Texturen verwaschener erscheinen. Bei diesen maximalen Details treten dann gelegentlich auch kleinere Grafik-Glitsches auf. Bei einer solchen Grafik-Detailtiefe wie sie R.U.S.E. jedoch bietet, ist dies aber schon Jammern auf hohem Niveau und die Grafik an sich ist für eine Strategiespiel wohl eine der gelungensten ihrer Art.
R.U.S.E. bleibt selbst in aller Hektik noch gut spielbar. Das verdankt der Titel seiner für Konsolenstrategie sehr gut durchdachten Steuerung. Das Interface ist extrem einfach gehalten und bietet nur ein einziges, aufklappbares Menü für die Bauoptionen. Dabei wird im Gegensatz zu herkömmlichen RTS-Spielen wie beispielsweise Command & Conquer auf einen komplexen Basisbau verzichtet und es muss pro Truppentyp nur ein Gebäude errichtet werden.
Alle weiteren Informationen können direkt vom Spielfeld abgelesen werden. Falls herausgezoomt wird, werden naheliegende Einheiten automatisch zusammengefasst. Das führt dazu, dass einzelne Einheiten oder ganze Verbände auf gleiche Weise gesteuert werden, abhängig ganz alleine von der Zoomstufe und damit der vom Spieler momentan gewählten Komplexität. Zoomt man in die niedrigste Stufe sind die anfangs erwähnten Chips sichtbar und man kann sich ein genauen Überblick über die komplette Einheitenanzahl sowie die eigene und die Stärke des Gegners machen.
Die Joysticksteuerung geht sehr gut von der Hand und die Kampagne tut alles dafür, den Spieler langsam an die Eigenheiten des Spiels und der Steuerung heranzuführen. Dies klappt sehr gut und auch PC-Strategen sind nach kurzer Spielzeit mit der Steuerung dermaßen vertraut als hätten sie Strategiespiele nie mit der Maus gespielt (Anm. des Autors: Im Selbstversuch herausgefunden!).
R.U.S.E (aus dem Engl. für Kniff, Trick und List) würde diesen Namen nicht verdienen, wenn dieser Faktor nicht einen großen Stellenwert einnehmen würde. Egal ob Tarnnetz (Gebäude sind vier Minuten unsichtbar) oder Blitz (macht Einheiten schneller) – es gibt insgesamt zehn solcher Listen, die darauf warten von euch eingesetzt zu werden. Man kann Scheinfabriken bauen, Einheiten stärker erscheinen lassen als sie wirklich sind und es macht immensen Spaß den Gegner in die Irre zu führen und auszutricksen. Unterteilt sind diese Listen in Verbergen, Enthüllen, Imitieren und Verstärken, so dass ein breites Spektrum von Einsatzmöglichkeiten (offensiv sowie auch defensiv) abgedeckt wird.
Hobbystrategen können es mit Poker-ähnlichem Bluffen weit bringen, denn gerade das Anwenden dieser Tricks macht einen großen Teil des Reizes des Spieles aus. Die Freude ist einfach riesig, wenn der Gegner im letzten Moment doch noch seine Einheiten abzieht, da unsere falschen Einheiten bei ihm wohl den Eindruck einer reellen Übermacht hinterlassen haben.
Für ein Strategiespiel auf der XBox 360 bringt R.U.S.E. alles mit, was man erwartet. Die Grafik sieht sehr gut aus und in puncto Bedienbarkeit können sich alle anderen Konsolenstrategiespiele gerne mehr als eine Scheibe abschneiden. Hier bringt Eugen Systems doch mit R.U.S.E. den bis jetzt besten Vertreter dieses Genres für die XBox 360 und zeigt wie sehr eine intuitive Steuerung und ein einfaches Interface der Spielbarkeit zuträglich sind. Es macht einfach Spaß seine Truppenverbände auf den riesigen Arealen zu bewegen und sich Manöver zu überlegen, um dem Gegner eins auszuwischen. Dies sorgt für Spannung, darauf zu warten, ob der Gegner nun auf den Bluff hereinfällt oder ob sich selbst gerade anschickt den Spieler arglistig zu täuschen.
Das Spiel wendet sich weniger an Hardcore-Strategen als vielmehr an interessierte, ausgefuchste Trickser, die daran Spaß haben in kreativer Weise aufzuklären und zu täuschen. Ist ihnen dies gelungen, schlagen sie clever zu, um dem Gegner den Garaus zu machen. Wer eine solch subtile Vorgehensweise mag und im Moment keine Kollegen zum Pokern greifbar hat, wird mit R.U.S.E. ein Menge Spaß haben. Der Autor hatte ihn.
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